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Von Sandra Dassler, Frank Jansen und Johannes Radke: „Fremde unter Generalverdacht“

Berlins Innensenator Körting geriet nach seiner Terrorwarnung vor „seltsam aussehenden Menschen“ in die Kritik: Gestern relativierte er seine Aussagen

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Berlin – Meistens ist er die sprachliche Präzision in Person, aber manchmal vertut sich Ehrhart Körting. Jetzt hat Berlins SPD-Innensenator im Zusammenhang mit der Terrorwarnung wieder Kritik auf sich gezogen. Körting sagte wörtlich: „Wenn wir in der Nachbarschaft irgendetwas wahrnehmen, dass da plötzlich drei etwas seltsam aussehende Menschen eingezogen sind, die sich nie blicken lassen oder ähnlich, und die nur Arabisch oder eine Fremdsprache sprechen, die wir nicht verstehen, dann sollte man glaube ich schon mal gucken, dass man die Behörden unterrichtet, was da los ist.“

Der Neuköllner Psychologe Kazim Erdogan, der sich seit Jahrzehnten für Integration engagiert, ist schockiert über die Äußerung. „Ich kann es nicht glauben“, sagt er: „Ausgerechnet Herr Körting, der schon so oft in den Moscheen war, der zum Fastenbrechen kommt und viele Kontakte zu muslimischen Menschen hat, sagt so etwas? Das ist genau die Verallgemeinerung Marke Sarrazin. Körting stellt Fremde oder fremd aussehende Menschen unter Generalverdacht.“

Der Fraktionschef der Linken, Udo Wolf, bezeichnet Körtings Äußerung als „überraschend und irritierend“: Sie widerspreche dem, was Körting früher über pauschale Verdächtigungen gesagt habe. Es belaste das Zusammenleben in einer offenen Stadt, wenn „ganze Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht gestellt“ würden, so Wolf. Und Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagt: „Da können ganze Stadtteile bei der Polizei gemeldet werden. Es ist richtig, zu mehr Vorsicht aufzurufen, aber nicht so, wie Körting es getan hat."

Der Innensenator ruderte inzwischen zurück: „Es war ein unglücklich formuliertes Zitat, das verkürzt wiedergegeben wurde“, sagte Körting am Freitag bei der Abschlusspressekonferenz der Innenminister-Tagung in Hamburg. Dass man die Polizei hole, wenn man neue Nachbarn sehe, „die in der Küche mit einem Maschinengewehr hantieren“, habe aber nichts mit Denunziation zu tun, betonte er.

Genau das – „Aufruf zur Denunziation“– wirft der Türkische Bund Berlin- Brandenburg (TBB) Körting vor. „Ich bin froh, dass der Innensenator jetzt einen Teil seiner Worte zurückgenommen hat“, sagt TBB-Sprecher Safter Cinan.

Er hat wie beispielsweise auch die Redaktion des türkischen Radiosenders Metropol F.M. oder der Vorsitzende des Freundschaftsvereins Marokko, Mohammed Boukantar, bisher nicht feststellen können, dass Türken oder Araber nach der Terrorwarnung anders behandelt würden als sonst: „Da waren die Reaktionen während der Sarrazin-Debatte heftiger“, sagt Safter Cinan.

Ein junger Mann, der gerade vom Freitagsgebet aus der Sehitlik-Moschee kommt, findet hingegen. „Plötzlich sind wir irgendwie alle verdächtig, nur weil wir Moslems sind“. Dabei würde ein echter Moslem nie einen terroristischen Anschlag machen, sagt der Hausmeister der Moschee, Yusuf Yilmaz: „Der Koran verbietet so etwas. Terror hat keine Nationalität und keine Religion.“

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