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Brandenburg: Von null auf 250 Millionen

Altanschließer-Problem: Rot-Rotes Kabinett bringt Landesprogramm von 250 Millionen Euro für Zweckverbände auf den Weg

Potsdam - Brandenburgs rot-rote Regierung zieht nun doch Konsequenzen aus dem Abwasserurteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Land will ein 250-Millionen-Euro-Programm auflegen, um Kommunen und Zweckverbände bei Rückzahlung von Kanalisationsbeiträgen an Betroffene zu unterstützen. Über ein Jahrzehnt sind – auch infolge von Fehlentscheidungen auf Landesebene – etwa 100 000 Bürger im Land zu Unrecht abkassiert worden. Man werde dem Landtag einen entsprechenden Vorschlag für den Haushalt 2017/2018 unterbreiten, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag nach der Sitzung des rot-roten Kabinetts. Kritik von Freien Wählern und CDU, dass das Land seit dem Urteil vom Dezember 2015 auf Zeit gespielt habe, wies Schröter zurück. „Es gibt nur noch einen Schuss, um das Problem zu lösen. Da muss man in Ruhe zielen“, sagte Schröter. „Ein Teil des Problems bestehe darin, dass manche schnelle Lösung der Vergangenheit sich als falsch herausgestellt hat.“

Mit der Verständigung im Kabinett lenken im Dauerkonflikt um die sogenannten Altanschließer Schröter selbst, aber auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein. Nach dem Urteil aus Karlsruhe vom November 2015 hatten beide für die Fehlpraxis im Land lange Zeit allein Zweckverbände und Kommunalebene verantwortlich gemacht und keine Notwendigkeit für Landeszahlungen gesehen. Im Landtag hatten vor allem die Freien Wähler, aber auch CDU und Grüne Druck gemacht. In der rot-roten Koalition sorgten die Linken für den Schwenk.

Mit dem Paket sollen nun – mit einem Volumen von bis zu 200 Millionen Euro – zum einen zinslose, langfristige Darlehen an Abwasserzweckverbände ausgereicht werden. Zum anderen sollen 50 Millionen Euro direkte Landesmittel bereitgestellt werden, mit denen sich das Land etwa an den Verfahrens- und Verwaltungskosten beteiligt, die nach den jahrelangen Auseinandersetzungen und auch jetzt mit der Lösung fällig werden. Außerdem wolle man Kommunen in prekärer Haushaltslage helfen und beitragen, dass Zweckverbände – trotz finanzieller Belastungen durch Rückzahlungen – nötige Investitionen gewährleisten können.

Die 50 Millionen Euro sollten, so Schröter, aus der Rücklage des Landes genommen werden. Schröter betonte erneut, dass es auch nach den jüngsten Gutachten keine Zahlungspflicht des Landes gebe. „Wir helfen, obwohl wir es nicht müssen.“

Strittig war bislang vor allem die Frage, wer alles Geld zurückbekommen soll. Auch da legte sich das rot-rote Kabinett nun fest. Klar war mit dem Urteil aus Karlsruhe, dass Bürger mit nicht bestandskräftigen Bescheiden darauf Anspruch haben. Darüber hinaus sollen nun auch jene Betroffenen ihr Geld zurückbekommen, deren Bescheide bestandskräftig sind, die aber etwa durch Stundungs- oder Ratenvereinbarungen noch nicht alles gezahlt haben. Dies sei die vom Gutachter empfohlene mittlere Lösung, sagte Schröter. Eine Rückzahlung aller Beiträge, wie es die Stadt Cottbus, aber auch Zweckverbände beschlossen haben, will das Land dagegen nicht finanziell fördern. Er hoffe auf eine „neue Nachdenklichkeit“ in Cottbus, sagte Schröter. Wenn Zweckverbände wirtschaftlich so gut aufgestellt seien, dies zu tun, liege das in ihrem Ermessen.

Die Freien Wähler, deren wichtigstes Thema der Abwasser-Konflikt ist, begrüßten das Einlenken. Es sei ein Sieg für den unermüdlichen Druck der Abwasserbewegung, sagte Landeschef Péter Vida. Aus Sicht der Freien Wähler reicht dies aber nicht aus. Der einzige sinnvolle Weg aus ihrer Sicht ist eine Umstellung auf ein Gebührenmodell, bei dem die Kanalisationsanschlüsse über die Abwassergebühren bezahlt werden. Das lehnte Schröter ab, da Mieter dann die Wertsteigerung von Grundstücken zahlen würden.

Vor der Kabinettssitzung hatte die CDU-Opposition ein Landesprogramm in zweistelliger Millionenhöhe gefordert. Der CDU-Kommunalexperte Sven Petke verwies darauf, dass die Regierung dem Landtag vor zwei Wochen den Entwurf des Doppelhaushaltes 2017/2018 übergeben habe, in dem für die Abwasserproblematik kein Geld geplant war. Dass die Regierung nun „nachsitze“ und „als Bittsteller gegenüber dem Landtag“ auftrete, sei ein „Armutszeugnis“.

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