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Mark statt Meer: Die gefluteten Tagebaue in Brandenburg sollen viele Touristen anlocken.

© Rainer Weisflog

Von Matthias Matern: „Wir kaufen die Katze nicht im Sack“

Im Süden Brandenburgs soll aus alten Tagebbaulöchern ein Badeparadies entstehen. Fünf der künstlichen Seen möchte das Land erwerben. Mögliche Risiken seien weitgehend ausgeschlossen, heißt es.

Von Matthias Matern

Potsdam/Cottbus - Die Vision klingt verlockend: Urlauber tummeln sich an Stränden, Freizeitkapitäne jagen in teueren Jachten übers Wasser, Hotelbesitzer jubeln über ausgebuchte Gästezimmer. Rund 30 ehemalige Tagebaulöcher werden derzeit im Süden Brandenburgs und Norden Sachsens geflutet. Entstehen soll eine der größten künstlichen Seenlandschaften Europas, die Urlauber anstatt ans Meer künftig ins wirtschaftliche Niemandsland zwischen Berlin und Dresden locken soll. Derzeit befinden sich die alten Förderstätten noch im Besitz des Bundes und werden durch die bundeseigene Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft (LMBV) renaturiert. Sind die Tagebaulöcher vollständig geflutet, will das Land Brandenburg fünf der künstlichen Seen kaufen. Auch nach der Katastrophe von Nachterstedt (Sachsen-Anhalt) hält das federführende Landesinfrastrukturministerium an der Absicht fest. Das Risiko für das Land sei gering, lautet die Begründung.

Auf dem Einkaufszettel stehen der sogenannte Partwitzer See, der Sedlitzer See, der Ilsesee, der Geierswalder See und der Altdöbener See. „Den geplanten Kauf muss man unabhängig von den aktuellen Ereignissen betrachten“, sagt Ministeriumssprecher Lothar Wiegand. „Wir übernehmen die Seen erst, wenn die LMBV nachgewiesen hat, dass die Ufer sicher sind und das Wasser sauber ist.“ Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, werde das Landesbergamt Brandenburg prüfen, wenn es soweit ist.

Frühestens in sieben bis zehn Jahren werden die ersten Tagebaulöcher vollständig geflutet sein. „Wir kaufen die Katze nicht im Sack“, verspricht Klaus Freytag, Präsident des brandenburgischen Landesbergamtes. Die Verantwortung, die das Land übernehmen werde, sei somit absolut „kalkulierbar“. Die Sanierung sei allerdings noch lange nicht abgeschlossen.

Beim LMBV ist man zuversichtlich, dass schon bald in den ersten Seen bedenkenlos geplanscht werden kann. „Die Arbeiten an den betreffenden Seen sind bereits weit fortgeschritten“, verspricht Manfred Kolba, zuständig für den Sanierungsbereich Lausitz bei der LMBV. Rund 80 Prozent der Ufer seien gesichert. Am Sedlitzer, am Partwitzer und Ilsesee etwa sei die Böschungsgestaltung fast abgeschlossen. Dort seien nur noch Restarbeiten nötig, so Kolba. Am Altdöbener See hingegen stünden noch Grundsicherungsarbeiten im Uferbereich an.

Ein folgenschwerer Erdrutsch wie in Nachterstedt halten Freytag und Kolba im Lausitz Revier für weitgehend ausgeschlossen. Allerdings ist es auch dort in den vergangenen Jahren immer wieder zu großflächigen Abbrüchen durch sogenanntes Setzungsfließen gekommen. Dabei wird lockerer, feinkörniger Sandboden durch eindringendes Wasser aufgeschwemmt, verliert den Halt und rutscht schon durch die kleinste Erschütterung weiträumig ab. Ein Phänomen, für das der feine märkische Streusand besonders anfällig ist. „Die Bebauungen im Umfeld der Tagebaue stehen aber alle auf stabilem gewachsenem Boden“, meint Kolba. Künstliche Uferbereiche, die noch nicht verdichtet sind, seien gesperrt und Warnschilder aufgestellt worden.

Verhindert werden soll das Setzungsfließen durch sogenannte versteckte Dämme unterhalb der Uferkante, die das Abrutschen des Erdreiches bis zum Seegrund verhindern. „Bis vor einigen Jahren hat man dafür sogenannte Setzungssprengungen durchgeführt“, erläutert Professor Uwe Grünewald von der Technischen Universität Cottbus, der seit 1995 die Flutungen der Tagebauseen wissenschaftlich begleitet. Die Gefahr dabei sei, dass durch die Erschütterungen an anderer Stelle Erdreich abrutsche. „Deshalb werden die Uferkanten heute lieber mit sogenannten Rüttellanzen verdichtet“, erklärt Grünewald. Dabei werde ein Gestänge in den Boden eingeführt, dass durch stetige Vibration die lockere Erde verfestigt.

Auch wenn die gelegentlichen Erdrutsche die Vision vom lukrativen Lausitzer Seenland wohl nicht direkt bedrohen, stellen sie trotzdem ein Problem dar - und zwar für die Wasserqualität. Seit langem sorgen sich die Verantwortlichen um den hohen Säuregrad im künftigen Badeparadies. Grund sei das Eisensulfid im Erdreich der Tagebaue, das mit dem Sauerstoff im Wasser reagiere, erläutert Professor Grünewald. Und mit jedem neuen Erdrutsch werde weiteres Eisensulfid freigesetzt. „Derzeit weisen 14 der insgesamt 28 Seen einen pH-Wert von unter drei auf.“ Der EU-Richtwert für Badegewässer betrage aber sechs. Ob die Seen nach der vollständigen Flutung die erforderliche Badequalität vorweisen könnten sei fraglich, meint der Wissenschaftler.

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