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Von Matthias Matern: Wenig Geld für schlechte Jobs

DGB: Brandenburg beim Lohnniveau bundesweit auf vorletztem Platz. Kritik an Investorenwerbung des Wirtschaftsministeriums

Von Matthias Matern

Potsdam - Arbeit in Brandenburg ist schlecht bezahlt und oft sind Beschäftigte erheblichem Druck ausgesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund Berlin-Brandenburg (DGB) in seinem „Schwarzbuch Billiglohn“ für Brandenburg. Demnach verdient jeder vierte der rund 730 000 Beschäftigten im Land weniger als 7,50 Euro die Stunde. 5,4 Prozent aller sozialversicherten Arbeitnehmer sind auf zusätzliche staatliche Hilfe angewiesen. „Damit liegt Brandenburg im Bundesvergleich auf dem vorletzten Platz vor Mecklenburg-Vorpommern“, sagte gestern Doro Zinke, stellvertretende Vorsitzende des DGB-Kreisverbandes.

Schuld daran ist aus Zinkes Sicht unter anderem die Ansiedlungspolitik des Landeswirtschaftsministeriums. „Nach der Wende hat das Land über mehrere Jahre mit dem Argument eines niedrigen Lohnniveaus um Investoren geworben“, kritisierte die Vizevorsitzende. Heute sei deshalb schlecht bezahlte Arbeit die Regel. Das Problem ziehe sich mehr oder weniger durch alle Branchen. Verschärft habe sich die Situation zusätzlich durch die Einführung von Hartz IV, sagte Doro Zinke. „Früher galt in den Arbeitsämtern ein Job als unzumutbar, wenn die Bezahlung unter Tarif lag, heute werden Gehälter mit bis zu 30 Prozent weniger als vertretbar angesehen.“ Verantwortung trügen aber auch die gut qualifizierten Fachkräfte in Brandenburg. „Vor allem junge Frauen ziehen wegen der schlechten Verdienstaussichten lieber in andere Bundesländer, anstatt sich zu wehren.“ Allerdings sei das Vertrauen vieler Mitarbeiter in eine Gewerkschaft begrenzt. „Manche haben Angst, nachher doch alleine da zu stehen“, räumte Zinke ein.

Besonders niedrig sind die Gehälter der Gewerkschaft zufolge in den Branchen Gastronomie, Hotellerie, in der Abfallwirtschaft, im Gartenbau, in Call Centern, aber auch in der stark geförderten, als besonders innovativ gefeierten Solarindustrie. In der Regel lägen die Löhne dort zwischen drei und sieben Euro, meinte Zinke. „Um solche kargen Gehälter über Hartz IV aufzubessern, gibt das Land Brandenburg monatlich etwa 12,8 Millionen Euro aus“, kritisierte die Vizevorsitzende. Diese Praxis sei für ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland „skandalös“. Die brandenburgischen Landespolitiker forderte Zinke deshalb auf, sich für einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro und für ein Vergabegesetz stark zu machen, das soziale Standards respektiere.

Mit insgesamt zwölf Fallbeispielen hat der DGB die Lage der Betroffenen aus der statistischen Anonymität geholt. Darunter schildern etwa zwei Mitarbeiterinnen eines Gemüseproduzenten ihre Arbeitsbedingungen. Sie berichten von einem Stundenlohn in Höhe von 4,50 Euro, permanent nicht angerechneten Überstunden und Repressalien seitens der Geschäftsführung. So sei es den Mitarbeitern im Betrieb verboten während der Arbeitszeit miteinander zu sprechen, wer außerhalb der zwei jeweils halbstündigen Pausen auf Toilette gehen müsse, werde „angeraunzt“. Ein Angestellter einer Recyclingfirma, der offene Lohnzahlungen mit Hilfe der Gewerkschaft eingefordert hatte, habe wenig später seinen Job verloren, erzählte die Autorin des Schwarzbuches Gudrun Giese.

Bei den betreffenden Unternehmen handele es sich teils um „prominente Beispiele“, sagte DGB-Vize Zinke. Zum Schutz der Informanten wolle sie die Namen der Betriebe allerdings erst Anfang kommenden Jahres veröffentlichen. „Bis dahin wird ein Teil der Mitarbeiter entweder bereits eine andere Arbeitsstelle haben, oder die Gründung eines Betriebsrates abgeschlossen sein“, so Zinke.

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