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Von Matthias Matern: Völlig losgelöst

Vom Weltraumbahnhof in Kasachstan starteten gestern fünf Brandenburger Satelliten ins Weltall

Von Matthias Matern

Brandenburg - Seit Freitagfrüh sind alle fünf Satelliten im All. Choma, Tachys, Mati, Trochia und Choros befinden sich seither auf ihrer Umlaufbahn in 630 Kilometern Höhe über der Erde. Nach zwei gescheiterten Anläufen starteten am Morgen die fünf baugleichen Satelliten der Brandenburger Firma Rapid Eye an Bord einer russischen Dnepr-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan erfolgreich in den Orbit.

Vor dem Firmensitz am Molkenmarkt in Brandenburg an der Havel verfolgten Firmenleitung, Mitarbeiter und Gäste die Startphase mit Spannung. Über Handy war ein Mitarbeiter ständig mit dem Weltraumbahnhof in Kontakt. Live-Bilder vom Raketenstart gegen 9.30 Uhr waren nicht zu sehen. „Die Übertragung hätte uns noch einmal 100 000 US-Dollar gekostet“, sagte Sprecherin Andrea Flachmann. Das Geld investiere das Unternehmen dann doch lieber in neue Produkte und in die Entwicklung weiterer Dienstleistungen.

Dafür aber wurde der Erfolg der Mission von Mitarbeitern des Unternehmens nachgespielt: Von einem Balkon der Unternehmenszentrale zeigten sie mit einem an Strippen hängenden Pappmodell der Rakete die verschiedenen Phasen, vom Start über die Abtrennung der einzelnen Stufen bis zum Austritt der Satelliten in ihre Umlaufbahn. Das etwas laienhaft anmutende Schauspiel wurde mit Rauchschwaden untermalt.

Nach dem geglückten Start machte sich Erleichterung unter den rund 90 Mitarbeitern des Unternehmens breit. „Ein Bilderbuchstart“, schwärmte Wolfgang Biedermann, Vorstandsvorsitzender von Rapid Eye und lag sich wenig später mit Mitgründer Stefan Scherer, der für den feierlichen Countdown aus München angereist war, in den Armen. „Ich habe die Nacht schlecht geschlafen“, gestand Scherer. Aber wirklich spannend und auch brenzlig sei die Zeit nach dem Abheben der Rakete gewesen, sagte der Ideengeber und Luft-und Raumfahrtspezialist. „Geht dabei etwas schief, war alles umsonst. Dann wären die Satelliten verloren gewesen.“

Zehn Jahre, nachdem Scherer zusammen mit seinem Kompagnon Manfred Krischke das Satellitenprojekt gestartet hatte, scheint nun ihre Vision wahr zu werden. „Uns war klar, was man alles mit Satellitendaten anfangen kann. Bislang lagen sie nur nicht in ausreichender Menge vor.“ Durch die fünf Brandenburger Himmelskörper soll sich das jetzt ändern. In ihrer Umlaufbahn werden die Satelliten jeweils 15 Mal am Tag um die Erde kreisen, dabei hoch aufgelöste, gestochen scharfe Digitalbilder schießen.

Die dabei gelieferten Bilddaten sind vor allem für Kunden in der Landwirtschaft, aber auch für Versicherungen und Umweltorganisationen von Nutzen, weil anhand der vielen hoch aufgelösten Aufnahmen das Wachstum von Pflanzen nachvollzogen und somit eine Ernteprognose abgegeben werden kann.

In etwa drei Monaten werden die Satelliten ihre Arbeit aufnehmen können, sieben Jahre bleiben sie im All. Die Kameras stammen von der Firma Jena-Optronik aus Thüringen. Von Bedeutung seien dabei die hohe Wiederholungsrate der Fotos, die eine ständige Aktualität gewährleisten, sagte Vorstandschef Biedermann.

Hießen die fünf künstlichen Himmelskörper bislang schlicht eins, zwei, drei, vier und fünf, so haben sie seit gestern auch richtige Namen. Zu Gunsten der Stiftung Gollwitz, einer internationalen Jugendbegegnungsstätte im Kreis Potsdam-Mittelmark, rief Rapid Eye bereits im Juli zu einem Namenswettbewerb auf. Für jeden eingegangenen Vorschlag sollten zehn Euro an die gemeinnützige Einrichtung gehen. Insgesamt kamen knapp 2400 Euro zusammen. Entschieden hatte sich das Unternehmen für Vorschläge aus dem Griechischen: Choma, Tachys, Mati, Trochia und Choros – zu Deutsch: Erde, schnell, Auge, Orbit, All.

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