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Von Matthias Matern: Staatsvertrag verstößt gegen die Verfassung

Bundesverfassungsgericht: Land muss Unterstützung jüdischer Gemeinden neu regeln. Zentralrat kritisiert Urteil als „fahrlässig“

Von Matthias Matern

Potsdam/Karlsruhe - Die jährlichen Zahlungen des Landes Brandenburg an den jüdischen Landesverband sind verfassungswidrig. Diese Entscheidung traf gestern das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu einer Klage der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Brandenburg gegen das Land. Die Verfassungsbeschwerde der nach eigenen Angaben besonders Tora treuen Glaubengemeinschaft richtete sich gegen einen 2005 abgeschlossenen Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem jüdischen Landesverband, dem in Brandenburg sieben Gemeinden angehören. Demnach zahlt Brandenburg jährlich 200 000 Euro an den Landesverband, der das Geld gerecht zu verteilen hat.

Diese Praxis verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und das Gebot der Unparteilichkeit, urteilten die Richter. Das Land dürfe die Mittelverteilung nicht auf andere übertragen, sondern müsse selbst für eine gerechte Zuweisung sorgen. Zumal es sich aus Sicht des Gerichtes bei der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Brandenburg, die nicht Mitglied im Landesverband ist, um eine konkurrierende Gemeinde handele, die durch den Staatsvertrag in Abhängigkeit zum Landesverband gebracht wurde. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wies das Land an, der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde für die vergangene Zeit und bis zur Neuregelung eine finanzielle Förderung zukommen zu lassen, „die gemessen an der dem Landesverband zugewandten Summe Paritätsgesichtspunkten entspricht“. Dabei müssten die bisher bereits zugewiesenen Mittel angerechnet werden.

Gegenüber den PNN wollte sich der Geschäftsführer der Gesetzestreuen Gemeinde, Shimon Nebrat, gestern nicht zu dem Urteil äußern. Gegründet wurde die eigenständige Landesgemeinde 1999 und hat nach eigenen Angaben mehr als 260 Mitglieder.

Das brandenburgische Kulturministerium kann trotz der Schlappe dem Urteil noch etwas Positives abgewinnen. „Wenigstens wurde nicht der ganze Staatsvertrag gekippt, sondern nur die Klausel über die Zahlung“, sagte Ministeriumssprecher Holger Drews. Nun müsse dazu eine neue Regelung gefunden werden und eventuelle Ansprüche der Gesetzestreuen aus den vergangenen Jahren geprüft werden.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, der nach Aussagen von Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) an der Ausarbeitung des Staatsvertrages beteiligt war, kritisierte die Entscheidung der Karlsruher Richter scharf. Generalsekretär Stephan Kramer sieht durch das Urteil „die verfassungsmäßig garantierte Religionsautonomie eingeschränkt“. Die Entscheidung sei ein schwerwiegender und kurzsichtiger Eingriff in die Autonomie und Organisation der jüdischen Landesverbände als Partner der Länder, sagte Kramer. Auch andere Bundesländer haben ihre Unterstützung ähnlich wie Brandenburg geregelt. „Das Urteil führt zu einer wohl kalkulierten, aber mindestens fahrlässigen Spaltung und Schwächung der Einheit der jüdischen Gemeinschaft.“

Der jüdische Landesverband Brandenburg, der eigenen Angaben zufolge knapp 1400 Mitglieder vertritt, geht hingegen auf Distanz zum Staatsvertrag. „Seit der Vorbereitung des Staatsvertrages waren wir nicht damit einverstanden, dass der Landesverband alle jüdischen Gemeinden im Land Brandenburg finanzieren muss, sogar diejenigen, die keine Mitglieder sind“, teilte gestern der Vorsitzende Gennadij Cusnir mit. Die größte Gemeinde innerhalb des Landesverbandes befindet sich in Potsdam und zählt 396 Mitglieder. Außerdem gibt es weitere Gemeinden innerhalb des Landesverbandes in Oranienburg (77), Königs Wusterhausen (53), Bernau (127), Cottbus (360), Frankfurt (Oder) (218) und Brandenburg (Havel) (130).

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