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Von Matthias Matern: Schmutzige Geschäfte mit dem Müll

Der Chef einer Entsorgungsfirma kam in Untersuchungshaft. Er soll 160 000 Kubikmeter illegalen Abfall vergraben haben

Von Matthias Matern

Potsdam – Seine Geschäftsidee war lukrativ, aber illegal. Wegen des Verdachts auf besonders schwere Umweltstraftaten sitzt ein 53-jähriger Ex-Polizist und Chef einer Entsorgungsfirma aus Potsdam-Mittelmark seit rund anderthalb Wochen in Untersuchungshaft. Im Auftrag mehrerer Gemeinden sollte der Geschäftsmann sechs alte DDR-Deponien und einen Kiessandtagebau renaturieren. Doch anstatt die Müllhalden mit Erde abzudecken, ließ der Beschuldigte laut Ermittler mehr als 160 000 Kubikmeter Haus- und Plastikabfall im Sand verschwinden. „Immobilienverkäufe ließen darauf schließen, dass R. sich Bargeld beschaffen wollte“, sagt Christoph Lange, Sprecher der Staatsanwaltschaft Potsdam. Bislang schweige der Beschuldigte zu den Vorwürfen. R. droht eine Freiheitsstrafe von neun Monaten bis zu zehn Jahren.

Betroffen sind Deponien in Wollin, Zitz, Rogäsen, Altbensdorf, Mörz und Schlamau, sowie ein Kiessandtagebau in Schlunkendorf. Die Enthüllungen begannen im Januar mit der Deponie in Wollin. Den Tipp bekamen die Ermittler aus der Bevölkerung. „Der rege Lkw-Verkehr hatte Aufmerksamkeit erregt“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.

Der Fall R. jedoch ist nur einer von vielen in Deutschland. Wie „Der Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, stecken hinter den illegalen Machenschaften vermutlich bundesweit mehrere „Netzwerke aus halbseidenen Abbruchunternehmern, finanziell klammen Kiesgrubenbetreibern, skrupellosen Müllmaklern und korrupten Beamten“. Allein in Brandenburg ermittele die Staatsanwaltschaft Potsdam derzeit gegen 18 Personen. Dabei gehe es insgesamt um eine Müllmenge von 670 000 Kubikmetern.

Für den Kreis Potsdam-Mittelmark könnte es teuer werden. Die Entsorgungskosten für allein vier Anlagen werden auf mindestens 50 Millionen Euro geschätzt. Hintergrund des Deals ist eine Änderung des Brandenburgischen Abfallgesetzes von 2005, wonach Deponien für Hausmüll, so genannten Siedlungsabfall, geschlossen werden mussten. R. habe den Gemeinden angeboten, die Halden zu räumen, mit unbelastetem Bauschutt zu füllen und zu begrünen, sagt Christoph Lange. Die Gemeinden hätten ihm dafür die Anlagen kostenlos zur Verfügung gestellt. R. hingegen habe gegen Gebühr Abfälle, die sonst für viel Geld hätten verbrannt werden müssen, angenommen und sie in den Deponien versenkt.

„R. hat einen seriösen Eindruck gemacht“, sagt Norbert Bartels, Direktor des Amtes Ziesar. Noch einen Tag bevor die Ermittler zugriffen, sei die Anlage von Mitarbeitern des Kreises unangekündigt kontrolliert. „Uns ist nichts aufgefallen.“ Auch der Unteren Abfallbehörde, die unter strengen Auflagen die Renaturierung genehmigte, hatte anscheinend keinen Grund zur Skepsis. „Wir kontrollieren zwar die Aktenführung, aber Proben hätten wir nur entnommen, wenn es einen begründeten Verdacht gegeben hätte“, sagt Hannes Strunz, Verwaltungsleiter des Fachbereiches Umwelt des Kreises.

Wer die Entsorgungskosten nun bezahlen soll, ist unklar. Das Land hat bereits abgewunken. Aber es sei ein bundesweites Problem, sagt Landrat Lothar Koch (SPD). Nachweislich sei Müll aus Sachsen-Anhalt in den Deponien verschwunden. Die Ermittler hätten zudem auch bei einigen alten Bundesländern angefragt. „Es gibt Hinweise, dass der Müll aus mehreren Bundesländern stammt“, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Für zwei Anlagen lägen indes Umweltgutachten vor. In beiden Fällen bestünde Gefahr für Erdreich und Grundwasser. „Bei der Verrottung des Mülls könnten Schwermetalle ins Grundwasser gelangen“, sagt Lange.

R. hat jetzt noch andere Probleme. Die Staatsanwälte für Korruptionsbekämpfung in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) ermitteln zudem wegen Bestechung. In einem Restaurant hat R. 2005 eine Weihnachtsfeier für 25 Mitarbeiter des Amtes Wusterwitz ausgerichtet. „Zudem war die Firma des Beschuldigten vom Amt mit der Renaturierung von drei Alt-Deponien beauftragt“, sagt Stefan Heidenreich, Leiter der Antikorruptionsstelle. „Wir ermitteln mögliche Zusammenhänge.“ Für Bestechung kann es bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geben.

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