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Das leise Summen der Bienen erfüllt wieder die Luft, sobald die ersten Bäume in Blüte stehen. Doch die Zahl der fleißigen Insekten wird immer weniger.

© Fabian Matzerath/ddp

Von Matthias Matern: Retorten-Bienen gegen das Massensterben

Durch künstliche Befruchtung versuchen Wissenschaftler in Brandenburg die todbringenden Viren der Varroa-Milbe auszuschalten. Doch das Problem ist die Konservierung des Insektensamens

Von Matthias Matern

Hohen Neuendorf - Das männliche Bienenleben ist kurz und häufig unerfüllt. Zwei Wochen nach dem Schlüpfen muss sich ein Drohn fortpflanzen. Gelingt ihm der Liebesakt, bezahlt er die Paarung umgehend mit dem Leben. Viele schaffen es nicht und werden später von den Arbeiterinnen in der sogenannten Drohnenschlacht abgestochen. Den frühen Tod kann auch Professor Kaspar Bienefeld, Leiter des Länderinstituts für Bienenkunde in Hohen Neuendorf (Oberhavel), dem Drohn nicht ersparen. „Aber zumindest stirbt er bei uns nicht, ohne seinen Lebenszweck zu erfüllen“, meint der Wissenschaftler. Über künstliche Befruchtung soll er sein Erbgut weitergeben und so einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Varroa-Milbe leisten.

Der etwa 1,6 Millimeter große Parasit stammt ursprünglich aus dem südöstlichen Sibirien und gilt heute weltweit als eine der größten Bedrohungen für die Honigbiene. Nach Europa eingeschleppt wurde die Varroa-Milbe Mitte der 70er Jahre. Durch ihren Biss überträgt sie Viren, die für die Bienen tödlich sind. Allein im Winter 2002/2003 fielen ihr in Deutschland rund 30 Prozent des Bienenbestandes zum Opfer. In Brandenburg sollen es sogar bis zu 42 Prozent gewesen sein. Die künstliche Befruchtung mit Sperma besonders resistenter Drohnen, so die Hoffnung der Wissenschaftler, könnte künftig das Massensterben der Honigbienen verhindern. „Weltweit laufen überall aufwändige Tests, um herauszufinden, welche Völker am widerstandsfähigsten sind“, sagt Professor Bienefeld.

Doch die Gewinnung des Erbguts ist ein mühseliges Geschäft und erfordert zudem präzise Millimeterarbeit unter dem Mikroskop. Ganze acht Mikroliter Sperma, also 0,008 Milliliter, lassen sich aus einem Tier gewinnen. „Dazu wird die Brust eines Drohn leicht zusammengedrückt, bis der Samen samt des Geschlechtsorgans hinten herauskommt“, erläutert der Institutsleiter. „Wie in der Natur stirbt die männliche Biene dabei leider. Das ist nicht zu verhindern.“ Später werde der Samen einer zuvor narkotisierten Königin eingeführt.

Haltbar sei Bienensperma mehrere Wochen, erzählt Professor Bienefeld. Doch mit der Zeit nehme die Qualität immer mehr ab. Um aber auch nach der eigentlichen Paarungszeit im Frühjahr weiter brauchbares Sperma zur Verfügung zu haben, müsse es tiefgefroren werden. Die bislang gängige Methode des Konservierens jedoch sei riskant, weil der Samen sehr anfällig ist, berichtet der Experte. „Da Eiskristalle das Sperma zerstören, muss Frostschutzmittel beigemischt werden. Das aber kann wiederum in der sogenannten Samenblase der Königin zu Schäden führen.“

Deshalb arbeiten die Wissenschaftler in Hohen Neuendorf derzeit an drei neuartigen Methoden, die die Verlustquote reduzieren sollen. 400 000 Euro hat das Bundeslandwirtschaftsministerium vergangene Woche dafür bereitgestellt. Um die Patente nicht zu gefährden, könne er leider nicht mehr verraten, bittet Professor Bienefeld um Verständnis.

Zugute kommen sollen die Ergebnisse nicht nur dem weltweiten Kampf gegen das Massensterben durch die Viren. Auch für den Fortbestand vom aussterben bedrohter Rassen ist die Konservierung des Spermas wichtig. Langfristig will das Institut deshalb eine umfangreiche Samenbank in Hohen Neuendorf anlegen. Ohne Gefahr zu laufen, durch lebende Tiere Krankheiten mit einzuführen, könnten andere Länder dann kontrolliertes, unbedenkliches Bienensperma erhalten, erläutert der Wissenschaftler.

Die Bedeutung der Biene für Mensch und Natur ist beachtlich – nicht nur als Honiglieferant. Rund 80 Prozent aller heimischen Wildpflanzen sind auf deren Bestäubung angewiesen. In der Landwirtschaft spielt sie vor allem im Obstanbau eine entscheidende Rolle. „Schätzungen zufolge, sorgt die Bestäubungsleistung der Biene in Deutschland jährlich für einen landwirtschaftlichen Mehrertrag von rund 2,5 Milliarden Euro“, gibt Professor Bienefeld zu bedenken.

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