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Verfolgung aus der Luft: Mit Tragschraubern setzt die Polizei bei Jüterbog Motocrossfahrer nach.

© Polizei Jüterbog

Von Matthias Matern: Querfeldein ohne Rücksicht auf Verluste

Landesweit brettern Motocrosser trotz Verbot durch die Wälder. Bei Jüterbog verfolgen Ordnungshüter die Fahrer am Boden und aus der Luft

Von Matthias Matern

Jüterbog/Potsdam - Die Spuren im Waldboden lassen keinen Zweifel aufkommen, doch die Verursacher sind in der Regel schwer zu fassen. Zurück bleiben Schäden an der Vegetation, verärgerte Spaziergänger und verstörte Wildtiere. Schuld sind Hobby-Motocrossfahrer, die trotz ausdrücklichen Verbots ohne Rücksicht auf Verluste durch die märkischen Wälder brettern. Nicht einmal vor sensiblen Naturschutzgebieten oder mit Altmunition belasteten Militärbrachen machen die Querfeldein-Piloten Halt. „Das ist ein landesweites Problem“, bestätigt Professor Matthias Freude, Präsident des brandenburgischen Landesumweltamtes. Gefahren werde praktisch überall, wo es freie Flächen gibt und es etwas hügelig ist. „Innerhalb und außerhalb von Naturschutzgebieten, vorzugsweise auf altem Truppenübungsgelände, etwa in der Reichskreuzer Heide bei Eisenhüttenstadt oder bei Templin.“

Gegen die Raser aber sind die Ordnungshüter oft machtlos. Auf ihren wendigen Maschinen hängen die Umweltsünder meist jeden Verfolger problemlos ab. Bei Jüterbog (Teltow-Fläming) setzten Förster, Polizisten und Naturschützer bei der Verfolgung der ungebetenen Waldbesucher deshalb seit rund zwei Jahren auf schweres Gerät: Mit mehreren Einsatzfahrzeugen und sogenannten Tragschraubern versuchen sie in koordinierten Boden-Luft-Offensiven die Motocrossfahrer zu stellen. Erst Ende Juli ging dem Einsatzteam nach halbstündiger Jagd ein Fahrer ins Netz. „Das Problem hat mittlerweile eine Dimension erreicht, die man nicht mehr tolerieren kann“, meint Norbert Schurk, Leiter der Oberförsterei Jüterbog. Laut Landeswaldgesetz seien Kraftfahrzeuge in Forstgebieten generell verboten. „In Naturschutzgebieten dürfen Wanderer nicht einmal die Wege verlassen“, sagt Schurk.

Rund 50 bis 60 Verfahren im Jahr werden bei der Oberförsterei Jüterbog registriert. „Darunter sind aber auch Fälle von Personen, die einfach nur ihren Pkw im Wald abgestellt haben“, räumt Schurk ein. Bei besonders schweren Verstößen allerdings droht den Sündern ein saftiges Bußgeld. „Bis zu 20 000 Euro“, gibt der Oberförster zu bedenken. Immerhin würden die Crossfahrer häufig gravierende Schäden an wichtigen Zufahrtswegen für die Feuerwehr hinterlassen. Im Falle eines Waldbrandes könne es deshalb zu schwerwiegenden Verzögerungen kommen. „Die Instandsetzung kostet mindestens zwölf Euro den laufenden Meter“, sagt Schurk.

Nicht selten müssen Einsatzkräfte ausrücken, um verunglückten Crossern zu helfen. „Vor rund vier Jahren hat sich ein Fahrer bei einem Sturz so schwer verletzt, dass er mit einem Hubschrauber gerettet werden musste“, erinnert sich der Oberförster. Leichtere Unfälle gebe es aber häufiger. In der Regel sind die Geländefahrer aber in Gruppen von bis zu vier Personen unterwegs und helfen sich bei einem Sturz selbst. „Die Dunkelziffer ist deshalb bestimmt viel höher.“ Vor allem zum Beginn der Motorradsaison im Frühjahr und gegen Ende des Sommers seien die illegalen Pisten stark frequentiert. Teilweise würden solche Routen sogar in einschlägigen Internetforen verbreitet. „Wenn wir so etwas mitbekommen, versuchen wir dagegen vorzugehen“, sagt Schurk.

Besonders beliebt bei den Crossfahren ist eine sogenannte Binnendüne im Naturschutzgebiet Forst Zinna-Jüterbog-Keilberg, das von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg betreut wird. Heute leben dort so seltene Vogelarten wie der Schwarzstorch, der Wiedehopf, oder der Ziegenmelker. Die knapp 7000 Hektar große Fläche liegt allerdings auf dem Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes Jüterbog. „Das Gelände wurde mehr als hundert Jahre militärisch genutzt und ist nach wie vor in weiten Teilen munitionsbelastet“, berichtet Stiftungssprecherin Anika Niebrügge. „Beräumt wurden nur die Wanderwege.“ Durch die Querfeldein-Touren über das Gebiet würden sich die Motocrossfahrer aber nicht nur selbst gefährden, sondern auch seltene Bodenbrüter verscheuchen, deren Gelege zerstören und seltene Pflanzen niederfahren, beklagt Niebrügge.

Ärger mit rücksichtslosen Geländefahrer hat auch Lothar Lankow, Geschäftsführer der Sielmann-Naturlandschaft Döberitzer Heide. Auf dem ehemaligen militärischen Übungsgelände wenige Kilometer nördlich von Potsdam baut die Sielmann-Stiftung ein Wildtierpark mit Wisenten, Wildpferden und Rothirschen auf. Auch dort lagern bis heute noch vielerorts Blindgänger im Erdreich. Nur den rund 22 Kilometer langen Wanderweg, der die sogenannte Wildniskernzone umrundet, ließ die Stiftung beräumen.

Den Motocrossern aber scheinen die Warnschilder egal zu sein. „Die bleiben nicht nur auf den Wegen“, bestätigt Lankow. Manche würden sich sogar einen Spaß daraus machen, Wanderer zu erschrecken. „Die fahren direkt auf die Spaziergänger zu und weichen erst im letzten Moment aus“, beschreibt der Tierpark-Chef.

Oberförster Schurk hat durchaus Verständnis für den Geländesport. Doch schließlich gebe es im Land genug Strecken, die extra dafür eingerichtet wurden. „Zum Beispiel in einigen ehemaligen Tagebaugruben.“ Auch der Pilot, den die Taskforce aus Jüterbog im Juli stellte, hätte es nicht weit zum nächsten Parcours gehabt. Er befindet sich etwa einen Kilometer von seinem Wohnort Neuheim entfernt, kurz vor Jüterbog.

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