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Von Matthias Matern: Politische Seeräuber

Sechs Kandidaten will die Brandenburger Piratenpartei für die diesjährigen Landtags- und Bundestagswahlen aufstellen. Noch aber fehlen den Politikneulingen die notwendigen 4000 Unterschriften

Von Matthias Matern

Potsdam - Noch spiele er nicht einmal heimlich mit dem Gedanken an einen Sitz im Landtag, versichert Axel Mehldau. „Wir sind doch alle noch politische Laien“, gibt sich der 49-Jährige aus Brieselang (Havelland) bescheiden. Dabei geht Mehldau im Brandenburger Superwahljahr 2009 als Spitzenkandidat seiner Partei ins Rennen.

In rund zwei Wochen soll der Wahlkampf beginnen, insgesamt sechs Kandidaten will die Piratenpartei für die kommenden Landtags- und Bundestagswahlen im September anmelden. Dafür aber müssen Mehldau und die anderen Mitglieder bis zum Frühsommer noch 4000 Unterschriften sammeln. „Die bekommen wir zusammen“, ist Sören Zetzsche, Schatzmeister der Brandenburger Piratenpartei, zuversichtlich.

An Entschlossenheit jedenfalls mangelt es den Piraten nicht, wohl aber an der notwendigen Bekanntheit. Kein Wunder, schließlich gibt es den Landesverband erst seit gut vier Monaten. Rund 30 Mitglieder zählt die Partei derzeit in Brandenburg. Sieben waren es zur Gründungsveranstaltung am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.

„Die Wähler müssen uns erst einmal kennenlernen“, weiß auch Spitzenkandidat und Landesvorsitzender Axel Mehldau. Dabei macht vor allem der ungewöhnliche Name den Mitgliedern zu schaffen. „Anfangs haben viele einfach abgewunken, dachten, das sei alles nur ein Spaß“, erinnert sich Mehldau an seinen ersten öffentlichen Auftritt in Brieselang.

Die Kernanliegen der Brandenburger Piratenpartei, die ihren Ursprung in Schweden hat und nach eigenen Angaben weltweit bereits bis zu 14 000 Mitglieder zählt, sind allerdings alles andere als Blödelei. Mehr direkte Demokratie, die Forderung nach einem transparenten Staat und besonders den Datenschutz haben sich die Politikneulinge auf die Fahnen geschrieben. Kritik übt Mehldau vor allem an der sogenannten Vorratsdatenspeicherung. Seit Anfang 2008 sind Telefon- und Internetanbieter durch eine Richtlinie der Europäischen Union verpflichtet, Verbindungsdaten ihrer Kunden sechs Monate lang zu speichern. Vor dem Europäischen Gerichtshof wird dazu derzeit eine Klage verhandelt. Aber auch die zentrale Erfassung von Patientendaten für die elektronische Gesundheitskarte lehnen die Piraten ab. „Es werden immer mehr Datenbanken angelegt. Da ist der Missbrauch vorprogrammiert“, meint Axel Mehldau, der selbst IT-Experte ist. 98 Prozent der Bevölkerung wisse gar nicht, was mit moderner Technik möglich sei.

Auch in Brandenburg sieht Schatzmeister Zetzsche Handlungsbedarf, etwa beim sogenannten Informationsfreiheitsgesetz. Zu häufig würden Bürgeranfragen abgelehnt, seien für Auskünfte hohe Gebühren fällig. Des Weiteren fordert er, dass Ausschusssitzungen von gewählten Parlamenten generell öffentlich sein sollten. „Wir wollen nicht den gläsernen Bürger, sondern den gläsernen Staat“, sagt Zetzsche kämpferisch.

Dass man beim Brandenburger Wahlvolk allein mit Datenschutz kaum Mehrheiten erlangen wird, sind sich Zetzsche und Mehldau durchaus bewusst. Doch ein darüber hinaus reichendes Parteiprogramm fehlt noch. „Wir wollen auch andere Themen wie Bildung, Gesundheit und Soziales besetzen“, sagt Mehldau. Derzeit werde aber noch am Profil der Partei gearbeitet.

Einen ersten Erfolg jedoch können die märkischen Seeräuber bereits vorweisen. Als erster deutscher Landesverband sitzt einer ihrer Vertreter in einem gewählten politischen Gremium. Jens Knoblich, bislang parteiloser Stadtverordneter in Strausberg (Märkisch-Oderland), hat sich ihnen angeschlossen. Als Netzwerkadministrator bereite ihm die zunehmenden Einschränkungen beim Datenschutz ebenfalls große Sorgen, erzählt Knoblich.

Zustände wie in Orwells Roman 1984 befürchtet der Kommunalpolitiker. Auf die Gleichgesinnten von der Piratenpartei sei er im Internet gestoßen. Beim Aufbau und der Profilsuche mit zu helfen, mache ihm Spaß. „Die sind noch so frisch und enthusiastisch. Die muss man einfach unterstützen“, findet Knoblich.

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