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Von Matthias Matern: Platzeck beklagt sich über „Revolutionswächter“

Ministerpräsident kritisiert Medien für Art der Berichterstattung und beruhigt die Wirtschaft

Von Matthias Matern

Potsdam - Es war ein mit Spannung erwarteter Auftritt, nach den monatelangen Debatten um die Stasi-Belastung brandenburgischer Links-Politiker, die Brandenburgs Rot-Rote-Koalition in schweres Fahrwasser brachten: Und zum Schluss seiner Rede vor rund 200 Unternehmern machte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) aus seinem Herzen keine Mördergrube, als er doch noch auf Rot-Rot zu sprechen kam. „Ich gestehe: Mich nervt es. Ich bin immer für kritische Beurteilung. Aber ich bin gegen Vorurteile“, sagte Platzeck, der in diesem emotionalen Teil seiner Rede einen fairen Umgang mit seiner rot-roten Landesregierung anmahnte. Er beklagte, dass mittlerweile ein so nicht gerechtfertigtes Trugbild über die Lage Brandenburgs entstanden sei, das auch auf die Berichterstattung einiger Medien zurückgeführt werden kann. „Mir muss man nicht erklären, was die Stasi war. Die wollte mir meine Kinder wegnehmen“, sagte Platzeck, einst selbst Mitglied der Bürgerbewegung in Potsdam und im Visier des DDR-Geheimdienstes. Er fügte mit Blick auf Medien und Kritiker hinzu: „Wir haben inzwischen eine Schar von Revolutionswächtern, die gehen mir auf den Keks.“ Eine Gesellschaft könne nur funktionieren, wenn man Menschen „eine zweite Chance gibt.“ Einige der schärfsten Kritiker von heute dagegen hätte man 1989 vergeblich auf einer der vielen Demonstrationen suchen können, kritisierte er. Namen nannte er nicht. Aus seinem Unverständnis über das aus seiner Sicht von Medien übertrieben dargestellte Ausmaß der Stasi-Enthüllungen machte er aber keinen  Hehl: Es seien zwei Abgeordnete gewesen, nämlich die Linke-Abgeordnete Renate Adolph - sie trat zurück - und der nun fraktionslose Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann - die sich nicht geoutet, die ihre Wähler belogen hätten, sagte Platzeck. „Es waren zwei Abgeordnete, gefühlt sind es zwanzig.“ Beide Fälle hätte er, so Platzeck weiter, zuvor nicht für möglich gehalten. Darauf, dass sich das Problem nicht allein auf diese beiden Fälle reduzieren lässt, dass vor Rot-Rot die IM-Vergangenheit von drei Mitgliedern der Linke-Landtagsfraktion und die von Landesparteichef Nord, bekannt war, ging Platzeck vor den Unternehmern nicht ein. Auch nicht auf die ehemaligen Landtagsvizepräsidentin Gerlinde Stobrawa (Linke), die von der Staatssicherheit als IM „Marisa“ geführt wurde, aber trotz neuer belastender Unterlagen bestreitet, für die Stasi gespitzelt zu haben.

Er erinnerte daran, dass im rot-rot regierten Berlin ohne vergleichbaren Aufruhr zeitweise Gregor Gysi am Kabinettstisch saß und dort auch immer noch säße, wenn er nicht das Handtuch geworfen hätte. Platzeck spielte damit auf Stasi-Vorwürfe gegen den heutigen Linke-Fraktionschef im Bundestag an, der allerdings eine IM-Tätigkeit für den DDR-Geheimdienst immer bestritten hat. Zugleich verwies Platzeck darauf, dass er selbst es war, der vor einem Jahr die Einsetzung eines Stasi-Beauftragten in Brandenburg entschieden habe, und zwar, „als an Rot-Rot nicht zu denken war.“ Wer Aufarbeitung der SED-Diktatur wirklich wolle, mahnte er, der müsse auch „ein Klima erzeugen, in dem Täter den Mut finden, sich zu ihren Taten zu bekennen“ und in dem Opfer ihnen vielleicht verzeihen. „Ich weiß: Das ist immer etwas Individuelles.“ Dennoch „müssen wir dazu kommen, über die Vergangenheit offen, aber ohne Skandalisierung reden zu können.“

Auf den durch die Stasi-Enthüllungen entstanden Imageschaden für Brandenburg, den der scheidende Chef–Wirtschaftsförderer Detlef Stronk beklagt hatte, den auch sein Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) bestätigt, ging Platzeck nicht ein. Er äußerte sich auch nicht, wie dies korrigiert werden soll. Er appellierte aber, die rot-rote Regierung an ihren Leistungen zu messen. „Lasst uns unsere Arbeit machen! Und wenn sie nicht gut ist, dann hat die Demokratie dafür einen Mechanismus, nämlich Wahlen, dann wird sie abgewählt.“ Zur Wirtschaftspolitik versicherte Platzeck, der freundlichen Beifall erhielt, den anwesenden Unternehmern, dass es mit Rot-Rot Kontinuität, „keine Revolutionen“ geben wird.

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