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Von Matthias Matern: Organisierter Pilzklau in den Wäldern

Bei ihren Suchaktionen bringen sich die professionellen Sammlerbanden häufig in größte Gefahr

Von Matthias Matern

Elstal/Eisenhüttenstadt - Brandenburgs Wälder werden offenbar systematisch von professionellen Pilzsammlern geplündert. So lukrativ scheint das Geschäft zu sein, dass sie auch vor größten Gefahren nicht zurückschrecken, selbst wenn unter dem Waldboden noch massenhaft gefährliche Blindgänger schlummern. Im Naturpark Schlaubetal bei Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) nahe der polnischen Grenze etwa streifen Angaben von Naturschützern zufolge kommerzielle Sammler aus Polen mittlerweile „scharenweise“ durch die Forste, machen dabei auch vor einem alten, munitionsbelasteten Panzerschießplatz nicht Halt.

In der sogenannten Döberitzer Heide, einem ehemaligen Truppenübungsgelände nördlich von Potsdam im Kreis Havelland, werden nach Augenzeugenberichten ganze Sammeltrupps asiatischer Frauen ausgesetzt, um auf dem munitionsverseuchten Areal im Akkord Pfifferlinge, Maronen und Steinpilze aufzuspüren.

„An manchen Tagen sind es mehrere Busse voll“, sagt sich Lothar Lankow, Geschäftsführer der Sielmanns Naturlandschaft Döberitzer Heide GmbH. „Die ersten werden bereits morgens gegen sechs Uhr auf dem großen Parkplatz am Einkaufscenter Havelpark losgeschickt.“ Im vergangenen Herbst habe ein Kollege beobachtet, wie sich die Frauen von dort aus in kleinen Grüppchen, ausgestattet mit Tüten und Körben, auf den Weg machten, berichtet Lankow weiter. Als der Fahrer unseren Mitarbeiter bemerkte, sei er „Hals über Kopf“ davon gefahren. „Der Kollege konnte nur noch das „B“ am Anfang des Nummernschildes erkennen.“

Seit 2004 entwickelt die Heinz Sielmann Stiftung auf dem ausgedienten Militärgebiet einen Wildtierpark. In einem abgesperrten Kerngebiet sollen künftig Wisente, Wildpferde und Rothirsche weitgehend ungestört leben. Die ersten vier Wisente hat die Stiftung schon in der Sperrzone angesiedelt. Gesichert ist das nach wie vor munitionsbelastete Areal mit einem Elektrozaun. Gerade aber auf dieses Gebiet scheinen es die Pilzesammlerinnen besonders abgesehen zu haben. „Da liegt noch fast alles, von der nicht gezündeten Granate bis zur scharfen Gewehrpatrone, im Boden“, gibt der Tierpark-Chef zu bedenken. Außerdem gebe es überall alte, versteckte Fernmeldeschächte, in die man leicht stürzen könne. „Nicht zuletzt die Wisente“, warnt Lankow. Gegen eine aufgeschreckte Kuh mit ihrem Kalb etwa habe ein Mensch keine Chance.

Bislang bleibt Lankow und seinen Mitarbeitern keine andere Möglichkeit, als die Frauen zu vertreiben. Er selbst habe schon einmal eine Frau aus dem Sperrgebiet geholt, meint Lothar Lankow. Sie festhalten und die Personalien aufnehmen dürften jedoch nur die Polizei oder ein Förster. „Anzeige konnten wir deshalb bislang nicht erstatten“, sagt der Geschäftsführer des Döberitzer Heide-Wildtiergeheges.

Entsprechend haben bislang weder die örtliche Polizei noch das brandenburgische Landeskriminalamt Erkenntnisse zum organisierten Pilzklau. Dabei schlagen die Sammler auch in anderen Ecken Brandenburgs zu. Im Naturpark Schlaubetal habe sich die Situation seit der Öffnung der Grenze zu Polen massiv verschärft, berichtet Naturparkleiter Mario Marschler. „Die kommen scharenweise, oft in ganzen Familienverbänden, aus Polen, sammeln, putzen die Pilze vor Ort und verpacken sie portionsweise.“ Der Grund: Aus Polen und dem sonstigen Osteuropa dürfen keine Pilze eingeführt und verkauft werden. Verkauft werden die Körbe vermutlich in Berlin, meint Marschler.

Ganze vier Ranger gibt es im rund 230 Quadratkilometer großen Naturpark Schlaubetal. Gegen den Massenansturm sind sie machtlos. Einheimische Pilzesammler würden sich bereits über die professionelle Konkurrenz beschweren, sagt Mario Marschler. „Normalerweise dürfen Besucher die offiziellen Wege im Naturschutzgebiet gar nicht verlassen. Für den Eigenbedarf drücken wir aber in der Pilzsaison auch einmal ein Auge zu.“

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