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Von Matthias Matern: Milchbauern in Existenznot

Landwirtschaftsminister Woidke will mit EU-Geldern Hilfsfonds einrichten – Kritik vom Bauernbund

Von Matthias Matern

Damsdorf/Potsdam - Noch im November war Bauer Timo Wessels aus Damsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark „nur“ schwer enttäuscht. Gerade erst hatte der Bundesrat entgegen dem Vorschlag von Ex-Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) einer Absenkung der deutschen Milchquote eine Absage erteilt. Da bekam der Landwirt von seinem Abnehmer, der Molkerei Müllermilch im sächsischen Leppersdorf, aber immerhin noch gut 30 Cent für den Liter Milch. Jetzt ist Wessels sauer. Denn seitdem sind die Preise weiter in den Keller gerutscht. „Im Januar waren es noch 25 Cent.“ Demnächst würden nur noch 19 Cent je Liter gezahlt, berichtet der Geschäftsführer des Agrarbetriebs Damsdorf Wessels GbR.

„Das ist eine Katastrophe“, meint der 29-Jährige erzürnt. Dabei habe sich an den Kosten nichts verändert. Rund 33 Cent muss Wessels pro Liter Milch aufwenden. Die Situation werde immer schwieriger. 330 Milchkühe stehen bei ihm im Stall, wollen versorgt werden, seine 30 Mitarbeiter erwarten ihr Gehalt. „Gleich habe ich einen Banktermin. Da wird es auch darum gehen, wie es jetzt weitergehen soll“, erzählt der junge Bauer. Wütend sei er vor allem auf die Politiker und auf den Deutschen Bauernverband, meint Wessels. „So ein Blödsinn, erst erhöhen sie die Milchquote und nun schreien sie nach Hilfspaketen.“

In Brandenburg hängen immerhin rund 17 000 Jobs an der Branche. Landesagrarminister Dietmar Woidke (SPD) fordert indes von der Europäischen Union „schnelles Eingreifen“. Nicht ausgegebenes Geld aus dem EU-Agrarhaushalt könnte beispielsweise in einen Hilfsfonds für die Milchbauern fließen. Vorstellbar wäre es auch den Landwirten über zinsverbilligte Betriebsmitteldarlehen vorübergehend Liquidität zu verschaffen. Zudem habe Woidke in einem Schreiben an Petra Wernicke, Agrarministerin Sachsen-Anhalts, die derzeit den Vorsitz in der Fachministerkonferenz innehat, gefordert, kurzfristig eine Sonderagrarministerkonferenz zu dem Thema einzuberufen, heißt es aus dem Ministerium.

Während der Landesbauernverband, die Initiative begrüßt, hält man beim Bauernbund Brandenburg nichts von einem Hilfsfonds für in Not geratene Milchbauern. „Wir wollen das Geld nicht“, sagt Geschäftsführer Reinhard Jung. Wie etwa bei der Dürrehilfe sei zu erwarten, dass von der Unterstützung wieder nur einige spezielle Betriebe profitieren. Dies wäre Wettbewerbsverzerrung und würde an dem eigentlichen Problem, dem Überangebot an Milch auf dem Markt, nichts ändern, kritisiert Jung. „Wenn schon ruinöser Wettbewerb, dann für alle gleich.“

Jens Foldenauer, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM), sieht das genauso. „Alle derzeit diskutierten Instrumente, auch Exportzuschüsse und staatliche Interventionsankäufe, helfen nur kurzfristig.“ Die Milchmenge sei das Problem. Deshalb plädiere der DBM für eine flexiblere Handhabung der Milchquote auf Grundlage der aktuellen Marktentwicklung, sagt der Verbandssprecher. Ein erneuter Milchboykott liege zwar derzeit „nicht in der Luft“, sei aber bei anhaltender Lage wahrscheinlich, so Foldenauer. Noch aber seien die Lager der Molkereien gefüllt und ein Boykott deshalb nicht sinnvoll.

Ob er sich an einem erneuten Streik beteiligen würden, weiß Bauer Timo Wessels derzeit nicht. Beim vergangenen Boykott kippte er demonstrativ rund 90 000 Liter Milch in den Gully. „Eigentlich kann ich mir es nicht leisten, jetzt auch nur einen Liter wegzuschütten.“

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