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Von Matthias Matern: Krisenstimmung im Musterlandkreis

Nirgends in Brandenburg gibt es so viele große Unternehmen wie in Teltow-Fläming. Doch die Rezession macht den Firmen zunehmend zu schaffen. Nach Kurzarbeit drohen jetzt erste Entlassungen

Von Matthias Matern

Luckenwalde - Der Mitarbeiter in seiner Mittagspause wollte sich gestern zur aktuellen Situation lieber nicht äußern. Er schüttelte nur den Kopf. Kein Wunder die Stimmung ist schlecht am Luckenwalder Standort des fränkischen Autozulieferers Schaeffler. Wie eine dunkle Wolke hängt der von der Konzernspitze in Herzogenaurach vergangene Woche angekündigte Stellenabbau über dem Werk im Landkreis Teltow-Fläming. Weltweit 8000 Stellen, davon 5000 in Deutschland, sollen wegen der Wirtschaftskrise wegfallen. Zudem ächzt das Unternehmen unter der drückenden Schuldenlast aus der Übernahme des Reifenherstellers Continental. Mehr als zehn Milliarden Euro Verbindlichkeiten lasten auf dem Unternehmen.

In Luckenwalde beschäftigt Schaeffler derzeit rund 500 Mitarbeiter. Die Nachricht von den geplanten Kürzungen erreichte den Betriebsratsvorsitzenden Frank Hildebrandt mitten im Urlaub. „Vom Ausmaß bin ich völlig überrascht“, sagte Hildebrandt am Telefon sichtlich betroffen. Mehr wisse er derzeit nicht. Auch auf dem Firmengelände herrschte gestern noch quälende Ungewissheit, inwieweit das Werk von den Streichungen betroffen sein wird. Man tappe noch völlig im Dunklen. Mit einem Stellenabbau müsse aber wohl gerechnet werden, hieß es aus Kreisen der Geschäftsführung am Standort. Besorgt wartete die Belegschaft deshalb auf den heutigen Mittwoch. Nachdem die Firmenleitung bereits gestern bei einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses den Gesamtbetriebsrat über ihre Pläne informierte, soll heute auf Betriebsversammlungen an allen Standorten den Mitarbeitern bekannt gegeben werden, wo wie viele Jobs gestrichen werden.

An seinem einzigen brandenburgischen Standort lässt Schaeffler moderne Motorenelemente für verschiedene Autohersteller fertigen; darunter hydraulische und mechanische Tassenstößel, Schwing- und Kipphebel. Um rund ein Drittel musste die Produktion aufgrund der eingebrochenen Nachfrage im Automobilsektor bislang gedrosselt werden. Seit März gilt Kurzarbeit. Betriebsbedingte Kündigungen hat es noch nicht gegeben, dafür wurden befristete Verträge nicht verlängert und Zeitarbeiter nach Hause geschickt.

Brandenburgs Musterlandkreis Teltow-Fläming trifft die Krise besonders hart. Mehrfach erhielt der Kreis in den vergangenen Jahren Auszeichnungen für seine dynamische wirtschaftliche Entwicklung, wurde 2008 gleich zweimal zur „Kommune des Jahres“ gekürt. Nirgendwo sonst in Brandenburg häufen sich so viele bekannte Industrieunternehmen, darunter die Nutzfahrzeugsparte von Mercedes-Benz, der Turbinenbauer Rolls Royce oder Volkswagen . Nach Angaben des Regionaldatendienstes der Deutschen Presse Agentur lag der Anteil am Gesamtexport des Landes 2007 bei mehr als 42 Prozent. Von 2003 auf 2008 sank die Arbeitslosenquote im Kreis um sechs Prozent auf zuletzt 9,5 Prozent.

In der Krise aber könnte die einstige Stärke von Teltow-Fläming zur Schwäche werden. Immer mehr Unternehmen müssen wegen teils dramatischen Auftragseinbrüchen Kurzarbeit anmelden Bei sogenannten Leuchttürmen wie Mercedes-Benz oder Thyssen-Krupp wird bereits seit längerem kurzgearbeitet. Doch weniger Arbeit, bedeutet weniger Gewinn und letztlich auch weniger Einnahmen für die Kommunen. Der Deutsche Städtetag rechnet für 2009 mit Ausfällen bei der Gewerbesteuer von mehr als zehn Prozent. Auch einen Einbruch von bis zu 20 Prozent sei nicht ausgeschlossen. Wegen der zu erwartenden steigenden Arbeitslosenzahl würden zudem auch die Sozialausgaben deutlich größer werden. „Gerade jetzt wäre es völlig falsch zu sparen“, findet aber Dieter Albrecht, Finanzdezernent in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming. Für die wirtschaftliche Entwicklung notwendige Investitionen, wie etwa in die Breitbandversorgung, dürften nicht infrage gestellt werden. „Das wäre kontraproduktiv.“ Mit größeren Steuerausfällen sei, wenn überhaupt, höchstens im nördlichen Teil des Kreises zu rechenen, wo der überwiegende Teil der großen Unternehmen ansässig ist. Zudem hätten die von der Krise betroffenen Unternehmen bislang erfreulicherweise Entlassungen weitgehend vermeiden können.

Dass Schaeffler aber bei bundesweit 5000 zu streichenden Stellen ohne betriebsbedingte Kündigungen auskommt, wird von Experten bezweifelt. Deswegen hat die Gewerkschaft IG Metall für heute Protestaktionen angekündigt. Den Schaeffler-Mitarbeitern in Luckenwalde versuchte Hermann von Schuckmann von der IG Metall Ludwigsfelde noch am Montag Mut zu machen. „Das ist ein hochproduktiver, moderner und gewinnbringender Standort“, sagte von Schuckmann. In Luckenwalde würden für die Automobilindustrie „existenznotwendige Teile“ gefertigt. Bei ihrem ersten Besuch des Werks im vergangenen Oktober habe Maria-Elisabeth Schaeffler sich klar zum Standort bekannt. Zumindest die Gefahr einer drohenden Schließung sehe er deshalb nicht, meinte der Gewerkschafter. Dass es aber zu Stellenstreichungen kommen könnte, sei dagegen bereits seit einiger Zeit zu erwarten gewesen. „Wir haben die Belegschaft schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass größere Proteste notwendig werden könnten“, berichtete von Schuckmann.

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