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Pessimist. Milcherzeuger Jens Gerloff hat Bundespräsidenten Horst Köhler um Hilfe gebeten. Viel Hoffung hat er nicht.

© privat

Von Matthias Matern: „Kein Kuhschwanz bleibt mehr übrig“

Wegen der niedrigen Milchpreise werden Bauern zuerst in Brandenburg aufgeben, glaubt der Bauernbund

Von Matthias Matern

Kyritz - In Brandenburg könnte die Schwarzbunte Milchkuh bald aus dem Landschaftsbild verschwunden sein. Sollte sich an den niedrigen Milchpreisen nichts ändern, seien es die märkischen Erzeuger, die bundesweit als erste die Milchproduktion aufgeben werden, glaubt Reinhard Jung, Geschäftsführer vom Bauernbund Brandenburg, der vor allem Familienbetriebe vertritt. „Als erste werden die aussteigen, die über Alternativen verfügen und nicht durch langfristige Kredite oder Auflagen zu Fördermitteln gebunden sind“, meint Jung. Reinen Milchviehbetrieben, wie es sie häufig in den alten Bundesländern gebe, etwa im Allgäu oder im sogenannten Elbe-Weser Dreieck, bleibe dagegen nichts anderes übrig als weiter zu machen und sich noch mehr bei den Banken zu verschulden.

Für einen mehr oder weniger schmerzfreien Ausstieg sind die Voraussetzungen in Brandenburg vergleichsweise günstig. „Etwa 90 Prozent aller Betriebe sind Mischbetriebe“, berichtet der Bauernbund-Geschäftsführer. Würden sie die Milchkuhhaltung aufgeben, könnten sie immer noch auf ihren Äckern Getreide für den Lebensmittelmarkt, die Futterindustrie oder für die Energiegewinnung anbauen. „Auf den nicht bewirtschafteten Grünflächen könnten sie Rindermast betreiben“, glaubt Jung. Hinzukomme, dass die märkischen Landwirte seit der Wende nur wenig in die Milchviehhaltung investiert hätten, somit nicht so verschuldet sind wie viele Kollegen in den westlichen Bundesländern, sagt Jung. „Im Mittel der letzten fünf Jahre wurden im Land ganze sieben neue Melkanlagen zugelassen. Bei insgesamt 600 Milcherzeugern und einer Nutzungsdauer von rund 15 Jahren müssten es aber im Jahr 40 sein.“ Noch allerdings sei nicht zu erkennen, dass in Brandenburg Milchbauern in „signifikanter Größe“ aus dem Geschäft aussteigen würden, sagt Reinhard Jung. Allerdings würden mittlerweile seit rund neun Monaten Preise gezahlt, bei denen jeder Betrieb zwangsläufig Verlust machen muss.

Beim Landesbauernverband Brandenburg teilt man die Einschätzung weitgehend. „Die Betriebe in den alten Ländern sind in der Regel kleiner und nicht so breit aufgestellt“, bestätigt Verbandssprecher Holger Brantsch. Ein Bauer auf der schwäbischen Alb habe gar keine andere Wahl als an der Milchviehhaltung festzuhalten. Getreide lasse sich dort aus Platzgründen im großen Stil nicht anbauen, auch Schweinemast sei keine Alternative. Die Schlussfolgerung, dass sich deshalb vor allem Landwirte in Brandenburg als erste von ihren Kühen verabschieden werden, könne er aber so nicht nachvollziehen, meint Brantsch. Kein Wunder, denn schließlich hat sich der Landesbauernverband gegen eine künstliche Preisregulierung durch eine Steuerung der Milchmenge ausgesprochen und setzt lieber auf natürliche Marktbereinigung. Andererseits weiß auch Brantsch. „Die Milcherzeugung ist die beschäftigungsstärkste landwirtschaftliche Branche.“

Zwischen zehn und 15 Betrieben in Brandenburg haben nach Angaben des Landesbauernverbandes in den vergangenen zwei Jahren aufgegeben. Ein Trend sei das noch nicht, findet auch Sprecher Brantsch. Jens Gerloff, Milchproduzent aus Kyritz (Ostprignitz-Ruppin) befürchtet jedoch, dass er und seine Kühe in Brandenburg bald Exoten sein könnten. „Wenn das so weiter geht, bleibt in Brandenburg kein Kuhschwanz mehr übrig.“ Allein im vergangenen Herbst hätten zwei Milchviehbetriebe in seiner näheren Umgebung ihre Quoten und Kühe verkauft, berichtet Gerloff. Selbst hat er 100 Milchkühe im Stall stehen. Auch er spielt mit dem Gedanken aufzugeben. „Doch ich kann nicht. Noch ist nicht einmal der neue Stall abbezahlt. Außerdem habe ich keine Alternativen zu den Milchkühen.“

Wie der Bauernbund setzt sich Gerloff deshalb für eine Mengensteuerung am Milchmarkt ein, um das Angebot der Nachfrage anzupassen. 106 von 109 Landwirte seiner Region, die er angesprochen hat, haben eine entsprechende, von ihm verfasste Erklärung unterschrieben. Am Montag wurde das Schreiben an Bundespräsident Horst Köhler, Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages geschickt. „Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es etwas hilft“, räumt Gerloff ein.

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