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Von Matthias Matern: „IM Bergmann“ will Mandat nicht niederlegen

Ex-Stasi-Spitzel und SPD-Stadtverordneter Stieger: Habe keinem geschadet. Partei-Genossen fordern persönliche Konsequenzen

Von Matthias Matern

Brandenburg/Havel - Die Spirale dreht sich weiter: Nach der Links-Partei hat die DDR-Vergangenheit auch die SPD erneut auf kommunaler Ebene eingeholt. Wie berichtet, hat der Stadtverordnete und stellvertretende Unterbezirksvorsitzende der Stadt Brandenburg (Havel), Dirk Stieger, eingeräumt, während seiner Armeezeit für das Ministerium der Staatssicherheit (MfS) als „IM Bergmann“ (Inoffizieller Mitarbeiter) tätig gewesen zu sein. Zwei Jahre lang habe er von 1986 an auf Nachfrage auch über „bestimmte Personen“ mündlich berichtet, sagte der heute 42-jährige Rechtsanwalt am Donnerstag gegenüber den PNN. Wegen der jüngsten Stasi-Enttarnungen auf Landesebene und aufgekommenen Gerüchten zu seiner Person, habe er nun seine Vergangenheit selbst offengelegt. Das Bekenntnis komme dennoch zu spät, kritisierten gestern selbst SPD-Politiker.

Während Stieger vom Chef der Havelstadt-SPD, dem Landtagsabgeordneten Ralf Holzschuher, noch am Mittwoch offenbar Rückhalt bekam, forderte gestern der Geschäftsführer des Unterbezirks, Guido Speer, von Stieger das Niederlegen seines Mandats. „Ich will meinem Vorsitzenden nicht ins Wort fallen, habe aber eine andere Meinung“, sagte der Bruder von Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD). Er baue jetzt auf die „Klugheit“ Stiegers, der „noch“ Vize-Chef sei. Pikanterweise war dieser sogar bereits für den Posten des Fraktionschefs im Brandenburger Stadtparlament vorgesehen, galt laut Medienberichten zudem als möglicher Bürgermeister-Kandidat. Die für kommenden Montag angesetzte Wahl zum Fraktionsvorsitz hat die SPD jetzt verschoben, Holzschuher bleibt vorerst auf dem Posten.

Stieger lehnt einen freiwilligen Verzicht auf sein Mandat ab. „Meine Zukunft hängt davon ab, wie fair in der Öffentlichkeit mit mir umgegangen wird“, sagte der Stadtpolitiker, der seit 2008 der SPD angehört. Damals, so Stieger, habe „das Thema Stasi gar keine Rolle gespielt“. Noch im Mai vergangenen Jahres soll er allerdings im Stadtparlament gegen eine Überprüfung aller Mitglieder auf eine mögliche Stasi-Vergangenheit gestimmt haben, sogar den Rücktritt der ebenfalls stasibelasteten Verordneten der Links-Partei, Ilona Friedland, gefordert haben. Einsicht in seine rund 80 Seiten umfassende Akte bei der Birthlerbehörde habe er Anfang Juni beantragt, Mitte Dezember Einblick erhalten, berichtete Dirk Stieger gestern.

„Es kamen Gerüchte auf, ich hätte während meines Studiums an der Friedrich-Schiller Universität in Jena Kommilitonen bespitzelt.“ Unter anderem habe diese Gerüchte widerlegen wollen, begründete Stieger den Antrag auf Akteneinsicht. Seine Tätigkeit für das MfS habe er 1988 mit dem Studienbeginn beendet. „Ich kann ausschließen, dass durch mich eine dritte Person zu Schaden gekommen ist“, behauptetet der Jurist. In der Akte habe sich außer seiner von ihm unterzeichneten Einverständniserklärung gegenüber dem MfS kein schriftlicher Bericht von ihm befunden. Alle Unterlagen habe er Ende Dezember der Partei zur Verfügung gestellt.

Eine zweite Akte zum „IM Bergmann“ fehlt bislang allerdings, wurde vermutlich vernichtet. Auf Landesebene reibt sich die Opposition wegen der SPD-Stasiaffäre bereits die Hände. „Herr Stieger ist als Parlamentarier nicht mehr zu halten. Sein Verhalten gegenüber Frau Friedland im vergangen Jahr zum Beispiel zeigt, dass er nicht über den notwendigen Anstand verfügt“, ätzte gestern Brandenburgs CDU-Generalsekretär Dieter Dombrowski. „Mir fehlen langsam die Worte. Es ist ja nicht das erste Mal. Ich erinnere nur an den Kleinmachnower Ex-SPD-Bürgermeister Nitzsche“, sagte gestern der Fraktionschef der Grünen im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel. „Es geht einfach um ein Minimum an Ehrlichkeit, nicht immer in erster Linie um die Tätigkeit an sich.“ Die CDU-Oberbürgermeisterin der Havelstadt, Dietlind Tiemann sagte, sie sei „enttäuscht“, er habe „bewusst nicht die Wahrheit gesagt“.

In der Landes-SPD versucht man zähneknirschend die Affäre in einen Erfolg umzumünzen. „Jeder Fall ist ärgerlich“, räumte Generalsekretär Klaus Ness ein. Stieger habe lange Zeit „Tatsachen aus seiner Biografie nicht offengelegt“. Vielleicht aber sei die späte Offenlegung durch Stieger aber auch ein Erfolg des Appells von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) für einen ehrlichen Umgang mit der Vergangenheit, so Ness.

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