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Hightech aus Brandenburg. Mit den Intraokularlinsen der S&V Technologies AG können am grauen Star erkrankte Tiere wieder sehen. Ingeborg Fromberg, Leiterin der Veterinärmedizin, zeigt Standardlinsen für Hunde und die größeren Linsen für Pferde.

© M. Matern

Von Matthias Matern: Hilfe für blinde Tiger

Vor rund zwei Jahren gründete Christine Kreiner in Hennigsdorf die S&V Technologies AG. Heute liefert die 64-jährige Münchnerin die von ihr entwickelten Intraokularlinsen für Tiere in alle Welt

Von Matthias Matern

Hennigsdorf - Was macht ein Tiger, wenn er nicht mehr sehen kann? Er wartet auf einen Tierarzt, der weiß, wie man Intraokularlinsen für Tiere implantiert und wo sie zu bekommen sind. Vor zwei Jahren hat eine der gestreiften großen Raubkatzen aus einem südspanischen Zoo auf diesem Wege sein Augenlicht zurückbekommen. Veterinäre der Universität Barcelona nahmen sich des am Grauen Star erkrankten Tiers an, wählten eine Telefonnummer in Brandenburg und ersetzten die trüben Linsen durch künstliche aus Acryl. „Heute kann der Tiger wieder prima sehen. Er könnte sogar Zeitung lesen“, versichert Christine Kreiner und lacht. Sie hat auch gut Lachen, schließlich ist der Erfolg ihr zu verdanken: Beide Ersatzlinsen sind Produkte ihres Unternehmens. Sie hat sie selbst entwickelt. Vor rund zwei Jahren gründete die 64-jährige Münchnerin in Hennigsdorf (Oberhavel) die S&V Technologies AG. Heute steht der Name weltweit unter anderem für Hightech-Präparate in der Veterinärmedizin.

Ob Hund, Katze, oder Pferd, zumindest theoretisch könne beinahe jedem Tier geholfen werden, sagt die erfahrene Geschäftsfrau und ehrgeizige Wissenschaftlerin. Es ist bereits ihr fünftes Unternehmen. Einige führt sie selbst, andere hat sie ganz oder in Teilen verkauft. „Zwar sind Augen und Sehvermögen der Tiere sehr verschieden, aber eine Linse haben sie fast alle.“ Einzig die Größe setze gewisse Grenze. Mäuse etwa seien so klein, dass ein Eingriff am Auge nur schwer durchzuführen sei. Bei besonders großen Tieren, wie Elefanten, oder Nilpferden, bereite die Vollnarkose Probleme. „Aufgrund ihres großen Gewichts dürfen die Tiere nicht sehr lange auf der Seite liegen“, sagt Kreiner. Ansonsten aber haben sich die Hennigsdorfer Intraokularlinsen bereits bei allen möglichen Tierarten bewährt, Löwen, Kängurus, Kaninchen und Seelöwen. Sogar eine Eule kann dank Kreiners Implantate heute wieder hervorragend sehen.

Die Kunden des Unternehmens kommen mittlerweile aus der ganzen Welt. Es sind Privatpersonen, die für ihr geliebtes Haustier keine Kosten scheuen, Pferdezüchter, die in ihr teures Rennpferd investieren und Zoologische Gärten oder Tierparke, die dem Erhalt seltener Tierarten verpflichtet sind. Etwa 10 000 Linsen werden pro Jahr in Hennigsdorf hergestellt. „Wir exportieren in vier Kontinente“, berichtet die promovierte Chemiepharmazeutin. Im vergangenen Jahr habe der Umsatz bei rund 2,2 Millionen Euro gelegen. „Für das laufende Jahr peilen wir drei Millionen Euro an.“ Nur einen Teil davon verdient Christine Kreiner durch den Verkauf der von ihr entwickelten Intraokularlinsen für Tiere. Das Unternehmen bietet auch Gewebefüller aus Hyaluronsäure, etwa als Knorpelersatz für Pferdegelenke, Kontaktlinsen mit UV-Absorber für schneeblinde Lawinenhunde und in einem weiteren Geschäftsbereich neben der Veterinärmedizin dermatologische Produkte für Menschen an. Ein Unternehmensteil, der sich mittelfristig als besonders umsatzstark erweisen werde. „Selbst in schwierigeren Zeiten, geben die Leute wohl eher noch Geld für ihre Schönheit aus, als dass sie sich Linsen für ihr Haustier leisten.“

Je nach Tierart kostet eine Intraokularlinse rund 100 Euro, der Eingriff um die 2000 Euro. „Der Preis kann aber abhängig vom Aufwand sehr unterschiedlich sein“, erläutert Ingeborg Fromberg, Leiterin des Geschäftsbereichs Veterinärmedizin bei S&V Technologies. Die Wahrscheinlichkeit, dass das liebe Vieh nach der Operation wieder sehen könne, sei aber sehr hoch, liege bei knapp 100 Prozent, meint Fromberg. Die Chance, in der Nähe einen Tierarzt zu finden, der den Eingriff beherrscht, ist da wohl geringer. „In der ganzen Region Berlin-Brandenburg sind es vielleicht nur vier oder fünf“, schätzt sie. Deshalb bietet das Unternehmen weltweit gefragte Schulungen an. Die Kurse sind lange im Voraus ausgebucht, die Warteliste ist lang. „Die Teilnehmer kommen aus Taiwan, Australien, Japan oder Brasilien“, sagt Ingeborg Fromberg.

S&V Technologies ist bereits das zweite Unternehmen, dass Christine Kreiner in Hennigsdorf gegründet hat. Das Investitionsvolumen für dieses Jahr beträgt rund 1,6 Millionen Euro, gut 260 000 Euro davon sind Fördermittel des Landes und der Europäischen Union. Ihre erste Firma in Brandenburg, die Acritec AG, gründete Kreiner bereits 1995. Heute gehört sie in Teilen der Carl Zeiss Meditec GmbH. Im neuen Unternehmen beschäftigt Kreiner derzeit 33 Mitarbeiter. Mindestens zwei weitere sollen diese Jahr noch folgen. Doch Fachkräfte zu finden, sei in Brandenburg schwer. „Gut ausgebildete junge Hochschulabsolventen gibt es eher noch. Aber es sind die potenziellen Führungskräfte mit Industrieerfahrung um die 40 Jahre, die fehlen.“

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