zum Hauptinhalt

Von Matthias Matern: Halb Brandenburg lebt im Jahr 2030 bei Berlin

Weite Gebiete des Landes veröden, aber im Umland wird es voller Wie Politik und Landesplaner sich auf die Entwicklung einstellen

Von Matthias Matern

Berlin - Fuchs und Hase dürfen sich freuen. Bald wird sie in Brandenburgs Randgebieten kaum noch einer beim Gutenacht-Sagen stören: Nach einer Prognose des Landesamts für Bauen und Verkehr und des Landesamts für Statistik leben im Jahr 2030 wahrscheinlich 48 Prozent der Brandenburger im Berliner Umland, während sich die andere Hälfte auf 85 Prozent der Landesfläche beinahe verliert. Dort ist mit einem starken Bevölkerungsrückgang um etwa ein Viertel auf 1,14 Millionen Menschen zu rechnen, der zum Teil auf Abwanderung, zum Großteil aber auf dem Geburtendefizit beruht.

Lag 2006 die Zahl aller Brandenburger Einwohner noch bei gut 2,5 Millionen, werde sie 2030 nur noch 2,2 Millionen betragen, glauben die Fachleute. Das sind 354 000 Menschen (14 Prozent) weniger als 2006 – und entspräche einer kompletten Entvölkerung der Kreise Uckermark und Barnim zusammen. Für das Berliner Umland erwarten die Statistiker dagegen einen Anstieg der Bevölkerungszahl um rund vier Prozent auf 1,05 Millionen Menschen – gemessen an 2002 sogar teilweise über zehn Prozent. Eine Entwicklung, die Politik und Verwaltung vor große Herausforderungen stellt: Zum einen muss die Versorgung im ländlichen Raum gesichert bleiben, zum anderen müssen entsprechende Angebote im Berliner Umland erst geschaffen werden. Im Auftrag der beiden Landesregierungen arbeitet die gemeinsame Planungsbehörde derzeit an einem neuen Landesentwicklungsplan. Voraussichtlich Anfang 2009 soll er in Kraft treten.

Einige der Probleme, die die Planer dabei lösen müssen, seien jedoch durch eigene Fehler in der Vergangenheit entstanden, sagt Ludwig Krause, Geschäftsführer der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung: „Anstatt die Innenstädte attraktiver zu gestalten, wurden Neubausiedlungen außerhalb von Ortschaften gefördert“, kritisiert er. Die Folgen seien lange Wege zu Ämtern und Versorgungseinrichtungen, Kinder müssten aus entlegenen Ecken zur Schule oder zur Kita gebracht werden, sagt der Städteplaner. Mit Blick auf den Bevölkerungsanstieg im Berliner Umland müsse die dort vorhandene Infrastruktur künftig effizienter genutzt werden. Wo neuer Wohnraum gebraucht werde, sollte er vorrangig auf freien Flächen innerhalb von Ortschaften entstehen, sagt Krause.

Das Verkehrsnetz in und um Berlin hält der Experte zwar für ausreichend. Allerdings müssten die verschiedenen Verkehrsgesellschaften ihrer überregionalen Verantwortung besser gerecht werden, etwa für mehr Park & Ride-Angebote sorgen und die Buslinien besser mit dem S- und Regionalbahnverkehr verknüpfen.

Viele Forderungen von Krause finden sich im Entwurf des gemeinsamen Landesentwicklungsplans wieder: Gegen Versorgungsengpässe auf dem Land setzen die Planer auf die Strategie zentraler Orte. In ausgewählten Städten sollen Bildungs- und Versorgungseinrichtungen konzentriert, Freizeitangebote und Einkaufsmöglichkeiten geschaffen werden. Der Neubau von Wohnraum außerhalb bestehender Siedlungen soll vermieden werden.

„Generell gilt: Innen- geht vor Außenentwicklung“, sagt Gerhard Steintjes, Leiter der gemeinsamen Landesplanung, die als übergeordnete Behörde über die Flächennutzungspläne der Kommunen entscheidet. Die Zeiten, als Investoren auf billigem Ackerland massenhaft Siedlungen aus dem Boden stampfen konnten, seien vorbei, sagt Steintjes. „Im ganzen Land ist Vernunft eingekehrt.“

Für das Berliner Umland sieht der Plan einen sternförmigen Ausbau entlang des S- und Regionalbahnnetzes vor. Denn vor allem auf Schienen sollen die Neubürger aus dem sogenannten „Siedlungsstern“ ins Berliner Zentrum pendeln. Wohnen sollen sie in Oranienburg, Bernau, Strausberg, Erkner, Königs Wusterhausen, Ludwigsfelde, Kleinmachnow, Teltow, Werder und Falkensee. Zwischen diesen Orten sollen „Grünkeile“ – Wälder, Wiesen, Äcker, Seen – der Naherholung dienen und vor der Zersiedlung geschützt werden. „In den Ortschaften ist überall noch ausreichend Platz für neuen Wohnraum“, sagt der Leiter der Landesplanung. Mancherorts müsse dafür jedoch das Versorgungsangebot, etwa im Bildungsbereich, ausgebaut werden. Tatsächlich werden in vielen Gemeinden rund um Berlin bereits die Kapazitäten an Schul- und Kitaplätzen aufgestockt. Vor allem im Südwesten und westlich der Hauptstadt sind viele Einrichtungen bereits jetzt überfüllt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false