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Von Matthias Matern: Genmais – „Höchstmaß an Unsicherheit“

Land: fünf von 33 Proben genetisch verunreinigt / Saatgut wurde aus dem Verkehr gezogen / Nur lückenhafte Kontrollen

Von Matthias Matern

Potsdam - Offiziell scheint alles nochmal gut gegangen zu sein: Kurz vor Beginn der Aussaat Anfang Mai konnten Kontrollbehörden der Bundesländer jetzt eine unbeabsichtigte, massenhafte Verbreitung von Mais mit genetisch manipuliertem Erbgut abwenden: Bei den jährlichen stichprobenartigen Saatgut-Untersuchungen wurde in sieben Ländern bei importierten Maissamen genetisch verändertes Erbgut festgestellt. Fündig wurden Labore in Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Schleswig-Holstein, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg und im Land Brandenburg. Doch die Befürchtung liegt nahe, dass manipuliertes Erbgut längst heimlich einen Weg auf die Feldern gefunden hat - trotz gelegentlicher Erfolge bei Stichproben, wie im aktuellen Fall.

Im Land Brandenburg hat die Schadensbegrenzung dieses Mal offensichtlich funktioniert: „Bei fünf von insgesamt 33 Proben haben wir eine genetische Verunreinigung entdeckt“, bestätigte am Montag Peter Rudolph, Referatsleiter Gentechnik im brandenburgischen Umwelt- und Verbraucherschutzministerium. Auf den Acker sei das Saatgut noch nicht gelangt, sagte er. „Die betroffenen Lieferungen wurden bereits aus dem Verkehr gezogen und von den Lieferanten zurückgenommen“, versicherte Rudolph. Mit weiteren Konsequenzen müssen sie aber nicht rechnen: „Verboten ist in Deutschland nur der Anbau“, erläuterte der Referatsleiter.

Aber auch Rudolph kann nicht ausschließen, dass bereits genveränderte Nutzpflanzen unbemerkt im Land wachsen. „Es gibt in der Tat ein Höchstmaß an Unsicherheit“, sagte er gegenüber den PNN. Schließlich könne immer nur ein Teil des Saatguts untersucht werden. Und dass die beanstandeten Lieferungen häufig aus Ländern kämen, in den auch genetisch veränderte Pflanzen angebaut werden dürfen, zeige, dass „in der Praxis eine Trennung offenbar nicht gewährleistet werden“ könne, so Rudolph. Ähnlich wie nun offenbar beim Mais ist die Lage seit Jahren beim Soja: So gibt es etwa weltweit kein sortenreines Soja-Futter mehr.

Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der diesjährigen Stichproben von der Umweltorganisation Greenpeace und biologischen Erzeugergemeinschaft Bioland. Für Saatgut gilt in der Europäischen Union ein Reinheitsgebot. „Leider werden die Ergebnisse der Länder in der Regel nicht veröffentlicht, höchstens auf die Internetseite gestellt“, klagte Bioland-Sprecher Gerald Wehde. Ungewöhnlich seien solche Entdeckungen nicht. „Erst im vergangenen Jahr ist verunreinigtes Mais-Saatgut in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz sogar auf die Felder gebracht worden.“ Eigentlich hätte die ganze Ernte vernichtet werden müssen, aber die Länder haben beschlossen, die Pflanzen in Biomasse-Kraftwerken zu verfeuern, berichtete Wehde.

Über möglichen Nutzen und Schaden der sogenannten grünen Gentechnik wird in Deutschland seit Jahren gestritten. Während Befürworter höhere Erträge und größere Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen erwarten, befürchten Gegner, dass sich die Verbreitung genetisch veränderter Pflanzen nicht kontrollieren lässt, dadurch eigentlich genfreie Lebensmittel verunreinigt werden. Erst im vergangenen Frühjahr hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) wegen der unabsehbaren Risiken den Anbau der bislang in Europa einzigen zugelassenen Genmais-Sorte für Deutschland untersagen lassen.

Der Streit spaltet auch die Landwirte in Brandenburg. Der Landesbauernverband unter Präsident Udo Folgart plädiert für eine Koexistenz, will aber die Kostenfrage im Schadensfall geklärt sehen. Der Bauernbund Brandenburg, der vor allem Familienbetriebe vertritt, lehnt die Gentechnik ganz ab. „Dass verunreinigtes Saatgut über Kontinente in deutschen Boden gelangt, zeigt, wie realitätsfern und verlogen das Gerede von der friedlichen Koexistenz ist, das wir vom Genossen Folgart immer zu hören bekommen“, sagte gestern Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung. Doch den großen Bauernverband ficht das nicht an. Sprecher Holger Brantsch: „Egal, ob etwas gefunden wird, oder nicht; an unserer Einstellung ändert sich nichts.“

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