zum Hauptinhalt

Von Matthias Matern: Gärende Wut

Molkereiboykott, Milch-Gipfel – und trotzdem fällt der Preis weiter. Neue Bauernproteste sind absehbar

Von Matthias Matern

Damsdorf - Bauer Timo Wessels aus Damsdorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark ist schwer enttäuscht. „Auf dem Milch-Gipfel im Juli wurden so viele Versprechen gemacht, vom Einzelhandel und von der Politik. Nichts wurde eingehalten“, resümiert der 29-Jährige verbittert. Als die Milchbauern im Frühjahr wegen sinkender Preise bundesweit auf die Barrikaden stiegen, war auch Wessels dabei, nahm an Demonstrationen teil, boykottierte seine Molkerei, kippte 90 000 Liter Milch in den Gully. „Das fällt einem nicht leicht, doch was blieb mir anderes übrig?“

Geholfen hat es nicht. Im Gegenteil: Statt mehr bekommt Wessels immer weniger Geld für seine Milch. 330 Kühe hat der junge Brandenburger Landwirt im Stall stehen. „Am Tag produzieren wir rund 8000 Liter Milch.“ Noch im Januar zahlte ihm sein Abnehmer, die Molkerei Müllermilch im sächsischen Leppersdorf, 38 Cent pro Liter. Im Oktober gab es für die gleiche Menge nur noch 31 Cent. Ein Verlustgeschäft: Wessels Herstellungskosten für den Liter Milch liegen bei etwa 33 Cent. Tendenz steigend. Ein Ende der Misere ist nicht in Sicht. Gerade erst habe Müllermilch ihre Lieferanten informiert, dass eine weitere Preissenkung anstehe, berichtet Wessels: „Ab Januar sollen wir nur noch 26 Cent bekommen.“

Die Molkereien verweisen dabei auf den Einzelhandel. Erst in der vorigen Woche kündigten der Discounter Aldi und die Rewe-Tochter Penny wie berichtet eine Preissenkung von rund 20 Prozent auf Milchprodukte an. Der Liter Frischmilch ist jetzt bereits für 49 Cent im Supermarktregal zu haben.

Die eigentliche Ursache ist aber das Überangebot an Milch in Deutschland und auf dem gesamten europäischen Markt. Nicht zuletzt, weil der Konsum von Milchprodukten deutlich zurückgegangen ist. Die deutschen Milchbauern plädierten deshalb bereits im Frühsommer für eine Verringerung der Milchproduktion, damit sich der Markt beruhigt. Einen Kurs, den auch der damalige Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) und der Bundesbauernverband auf dem Milch-Gipfel im Juli unterstützten. Doch am vergangenen Freitag erteilten die Länder im Bundesrat mit Rückendeckung durch den Bauernverband einer Senkung der deutschen Quote eine Absage.

„Ich kann verstehen, dass die Landwirte sauer sind“, räumt Udo Folgart ein, Präsident des Landesbauernverbandes und Milchpräsident des Bundesbauernverbandes. Doch eine Senkung der Milchproduktion allein auf nationaler Ebene würde nur zu mehr Importen führen. Der Effekt würde verpuffen. Zudem sei die Liberalisierung des Marktes politischer Wille in Brüssel. Bereits im März diesen Jahres beschloss die EU-Kommission eine Erhöhung der europäischen Quote um zwei Prozent. Ab 2010 soll sie um je einen Prozentpunkt weiter steigen, ab 2015 ganz auslaufen. „Wir können nur versuchen, diesen Prozess abzumildern“, gesteht Folgart. „Die Qoutensteigerungen müssten von der Marktentwicklung abhängig gemacht werden. Einen Automatismus dürfe es nicht geben.

„Das kann man einfach nicht verstehen“, kommentiert Bauer Wessels. „Wir haben zu viel Milch am Markt, und trotzdem soll die Quote erhöht werden?!“ Auf Verband und Politik ist er sauer. „Die haben alle versagt.“ Was nun wird? Unter Kollegen seien bereits wieder Rufe nach neuen Protestaktionen zu hören, berichtet Timo Wessels. „Ich rechne mit einem erneuten Milchboykott.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false