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Gigantomanie in der Wüste. Im Emirat Abu Dhabi lässt der italienische Sportwagenhersteller Ferrari die bislang größte Halle der Welt errichten. Das Dach des riesigen Gebäudes wurde von der Firma Interfalz aus Oranienburg entwickelt.

© Interfalz

Von Matthias Matern: Dachdecker der Wüste

Als Ein-Mann-Betrieb hat Heyung Meyer angefangen. Heute arbeitet er für Ferrari

Von Matthias Matern

Oranienburg/Abu Dhabi - Wieder einmal hat sich für Heyung Meyer unternehmerisches Risiko bezahlt gemacht. Sieben Monate lang hat er getüftelt, Alubleche gebogen und lackiert, alles wieder verworfen und neu geplant ohne nur ein Cent zu verdienen. Rund 70 000 Euro hat der 50-jährige Geschäftsmann aus Oranienburg (Oberhavel) in bloße Hoffnung investiert. „Ob wir den Auftrag bekommen, stand damals überhaupt nicht fest“, erinnert sich Meyer. Heute, rund anderthalb Jahre nach Baubeginn auf einem staubigen Stück Wüste an der östlichen Küste der arabischen Halbinsel hat der Geschäftsführer der Firma Interfalz allen Grund stolz zu sein: Im kommenden Frühjahr wird mit der „Ferrari World Abu Dhabi“ die bislang größte überdachte Freizeithalle der Welt eröffnet. Das Herzstück des Megaprojektes, die rund 50 Fußballfelder große, Ferrari-rote Dachkonstruktion, ist Meyers Beitrag.

Vor rund drei Wochen hat Interfalz die Arbeiten in direkter Nachbarschaft zur neuen Formel 1-Rennstrecke abgeschlossen. Mehr als 600 Kilometer Metallbahnen wurden verbaut, über 100 000 Liter Farbe aufgetragen. Die gesamte Konstruktion ist etwa 900 Tonnen schwer. Insgesamt zehn Monate haben Meyer und ein Team aus 28 Mitarbeitern gebraucht, um die Konstruktion aus bis zu 96 Meter langen Alublechen zusammenzuschrauben; teilweise in einer Höhe von bis zu 50 Metern. Die Arbeitsbedingungen waren extrem. „Tagsüber herrschten dort oben 55 Grad Celsius. Man konnte nirgends länger stehen“, beschreibt der Firmenchef. Am Ende aber habe sich die Anstrengung gelohnt, findet er: „Mir standen die Tränen in den Augen, als ich es fertig gesehen habe. Das erschlägt einen einfach.“

So gigantisch sich das rote Riesendach über die arabische Wüste erstreckt, so unscheinbar ist der Ort, in dem es entwickelt worden ist. Wer den Firmenchef unter der angegebenen Anschrift besuchen will, wähnt sich erst einmal am falschen Ort: kein leuchtendes großes Firmenlogo, kein eigener Kundenparkplatz, kein großzügiges Foyer mit kostspieligen Designermöbeln. Fast etwas versteckt sitzt die Firma Interfalz zur Miete in zweiter Reihe auf einem abgelegenen Gewerbegebiet in Oranienburg.

Dabei ist Interfalz, nicht zuletzt durch den Auftrag des italienischen Sportwagenherstellers, längst zu einem gefragten Spezialisten für übergroße Blechkonstruktionen geworden. Am Bau des Terminals C des Amsterdamer Flughafens Schipol waren die Dachprofis beteiligt, in Ingolstadt deckten sie ein Eisstadion ab und im vergangenen Jahr spannte das Unternehmen ein Dach über das Fußballstadion des ukrainischen Spitzenklubs Schachtjor Donezk. Derzeit laufen zudem die Planungen für das Stadiondach der russischen Kicker von Zenit Petersburg. In Aussicht sei zudem ein ähnlich prestigeträchtiger Auftrag in der russischen Hauptstadt. Mehr wolle er aber momentan noch nicht verraten, erzählt Meyer in seinem äußerst schlicht eingerichteten Büro. „Ich investiere lieber in Forschung und Entwicklung“, erklärt Heyung Meyer gelassen. „Zwischen 100 000 und 150 000 Euro im Jahr“, schätzt er.

Der Erfolg hat Meyer bislang Recht gegeben. Angefangen hat er vor genau zehn Jahren als ein Ein-Mann-Betrieb. „Tagsüber wurde produziert. Abends habe ich die Buchhaltung gemacht und die Angebote geschrieben“, erinnert sich der in Leipzig geborene Unternehmer. Heute beschäftigt Interfalz 35 Mitarbeiter, kooperiert mit zehn Vetriebspartnern weltweit. Auf Aktenordnern im Oranienburger Firmensitz finden sich Verweise auf Unterlagen zu Projekten aus Italien, Griechenland oder Belgien. 2008 lag der Umsatz bei 3,8 Millionen Euro. In diesem Jahr, schätzt Meyer, werden es Dank Ferrari wohl etwa 14 Millionen Euro sein. „An einen solchen Auftrag kommen sie nur ran, wenn sie innovative Lösungen anbieten können“, schildert Heyung Meyer seine Erfahrung.

In Deutschland dagegen scheint Meyers Philosophie weniger gut anzukommen. „Um öffentliche Aufträge bewerbe ich mich schon seit Längerem nicht mehr“, berichtet der Interfalz-Chef. Immer gehe es nur um die günstigste Lösung, beklagt Meyer die vorherrschende Mentalität. Aber auch von den Banken und der Wirtschaftspolitik hierzulande ist Heyung Meyer enttäuscht. „Man hat das tollste Produkt, aber keiner hat den Mut, mit einem zusammen das Risiko einzugehen“, schildert er. „Hat man dann trotzdem Erfolg, kommen alle und klopfen einem auf die Schulter.“

Dass unternehmerischer Mut belohnt werden kann, zeigt nicht nur der 16 Millionen Euro schwere Auftrag von Ferrari. Schon des Öfteren ist Meyer während seiner Reisen in brenzlige Situation geraten, immer hat sich seine Beharrlichkeit am Ende doch noch ausgezahlt. „Wenn sie zum Beispiel im türkisch-iranischen Grenzgebiet mit teuren Baumaschinen festgehalten werden, helfen ihnen erstmal auch keine unterzeichneten Handelsabkommen weiter“, sagt er.

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