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Betroffen und sauer. Bei der Feier zum 20-jährigen Bestehen der SPD-Landtagsfraktion ließ Matthias Platzeck keinen Zweifel aufkommen, wer die Bösen sind.

© Andreas Klaer

Von Matthias Matern: „Da werde ich wohl einen Rotwein mehr brauchen“

20 Jahre SPD-Landtagsfraktion: Jubiläumsfeier im Schatten von Rainer Speers Rücktritt

Von Matthias Matern

Potsdam - Einmal tief durchatmen und weiter wahre Genossen lassen sich nicht runterkriegen, so auch nicht Martina Wilczynski. Mit strammen Schritt steuert die stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende aus Potsdam in Richtung Hans Otto-Theater. Gleich soll dort die große Feier zum 20-jährigen Bestehen der brandenburgischen SPD-Landtagfraktion losgehen. Alles was Rang und Namen hat bei den märkischen Genossen ist angekündigt, vom ersten Fraktionschef der SPD Wolfgang Birthler bis zum ehemaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe. Nur einer wird an diesem Abend wider Erwarten nicht dabei sein: Rainer Speer. Knappe drei Stunden zuvor ist der Mitbegründer der Potsdamer SPD von seinem Amt als Innenminister zurückgetreten.

„Das kam für mich sehr überraschend“, meint Wilczynski. Keine Spur von Ironie, die tapfere Genossin aus dem Ortsverein Stern/Drewitz/Kirchsteigfeld meint es absolut ernst. Trotz aller Vorwürfe und Schlagzeilen, die in den vergangenen Wochen Speer in die Enge trieben. „Als ich davon erfahren habe, dachte ich: Da werde ich heute Abend wohl einen Rotwein mehr brauchen.“ Wirklich geknickt wirkt Wilczynski allerdings nicht. „Ich freue mich auf die vielen anderen Genossen. Es muss ja irgendwie weiter gehen“, sagt die kräftig gebaute Sozialdemokratin und biegt in die Zielgerade ein. Bereits von weitem lässt sich der Medienauflauf vor den Eingangstüren des Theaters erkennen. Blitzlichter, schwarze Limousinen. „Ich denke, Platzeck wird in seiner Rede wohl erst einmal richtig austeilen“, sagt Wilczynski.

Doch statt Medienschelte zu betreiben, steht Ministerpräsident Matthias Platzeck umringt von Journalisten vor den großen Glastüren und findet mit Grabesmiene warme Worte für den ehemaligen Innenminister. „Ich verliere einen engen Wegbegleiter und guten Freund.“ Im Hintergrund zieht eine Blaskapelle munter ihre Runden durch die versammelten Genossen und spielt passenderweise das bekannte Gospelstück „When the Saints go marching in“ (Wenn die Heiligen einziehen).

Neben Platzeck gilt vor allem Dietmar Woidke das Interesse der Journalisten. Gerade ist er vom SPD-Fraktionsvorsitzenden zum Ersatz-Innenminister bestimmt worden. Seine Miene ist bestenfalls neutral, Enttäuschung oder Traurigkeit ist an seinem Gesicht jedenfalls nicht abzulesen. Artig sagte er, dass die Schuhe, die jetzt vor seiner Tür stünden groß sind und dass die Polizeireform notwendig sei und fortgeführt werden müsse. Er betrachte die Situation mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Im Übrigen besitze auch er ein Laptop, habe die Daten aber bisher nicht verschlüsseln lassen. „Jetzt denke ich darüber nach.“ Inzwischen haben Wilczynski und die anderen Gäste der roten Jubiläumsfeier im großen Theatersaal Platz genommen. Platzeck tritt vor das Rednerpult: „Ich verhehle nicht, dass es mir nicht leicht fällt zu diesem schönen Jubiläum Worte zu finden“, beginnt er. Rainer Speer sei der Mann der nullten Stunde in der SPD gewesen. Speer bitte um Verständnis, dass er heute nicht hier sei, schiebt Platzeck nach und setzt dann zu dessen Würdigung an. „Speer ist eckig, kantig und zuweilen auch ruppig. Aber er ist grundehrlich“, versichert er. „Er habe sich um das Land Brandenburg verdient gemacht. Großer Applaus brandet auf. Dann lässt Platzeck keinen Zweifel aufkommen, wem der schwarze Peter gehört. „Ich halte große Boulevardzeitungen für ein Verbrechen. Das sind Zeitungen mit großen Lettern, Scheißbildern und indiskreten Manövern“, zitiert der SPD-Landesvorsitzende den Philosophen und Schriftsteller Peter Bieri.

Martina Wilczynski hält den Abgang Speers ebenfalls für einen Verlust politisch betrachtet zumindest. „Seine Verdienste sind unbestritten und die kann ihm auch keiner mehr wegnehmen. Er ist ein Macher“, findet die Potsdamer Genossin. Platzeck und Speer seien ein echtes „Traumduo“ gewesen. Schwärmerisch klingt das bei Wilczynski allerdings nicht. „Menschlich konnte ich ihn nie leiden“, räumt sie ein.

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