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Von Matthias Matern: CCS-Debatte: Vattenfall droht mit Investitionsstopp

Junghanns lädt Bundespolitiker nach Ketzin ein. Grüne fordern Verzicht der Braunkohlenutzung

Von Matthias Matern

Berlin/Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) will retten was zu retten ist. Gestern lud er die Spitzenpolitiker der Bundesregierung für Mittwoch kommender Woche zu einem Besuch in Ketzin (Havelland) ein. Seit 2004 erprobt dort das GeoForschungszentrum Potsdam (GFZ) in einer Pilotanlage, allerdings in kleinem Maßstab, die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid. „Vor Ort“ und aus „erster Hand“, wie das Wirtschaftsministerium mitteilte, sollen sich Unions-Fraktionschef Volker Kauder, CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer und SPD-Fraktionschef Peter Struck von der Unbedenklichkeit der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) überzeugen. Wie berichtet, beantragte am Dienstag die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag wegen Sicherheitsbedenken die für Freitag geplante Abstimmung über das CCS-Gesetz. Nun soll in der letzten Bundestagssitzung vor der Sommerpause am 3. Juli entschieden werden.

Für das Land Brandenburg hängt viel von der Verabschiedung des Gesetzes ab. Ohne die rechtliche Grundlage für eine CO2-Speicherung untertage ist die Energiestrategie 2020 des Landes zum Scheitern verurteilt. Mit der CCS-Technik werde ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet, da so der CO2-Gehalt in der Atmosphäre gesenkt werden könne, sagte Junghanns. Ob die Bundespolitiker der Einladung folgen, sei bislang offen, hieß es gestern bei Redaktionsschluss im Ministerium. „Noch haben wir keine Rückmeldung erhalten.“

Die brandenburgische Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche (CDU) appellierte gestern erneut an ihre Fraktion: „Deutschland kann der Welt zeigen, wie man Kohle klimafreundlich nutzt.“ Sollte das Gesetz nicht mehr vor der Sommerpause beschlossen werden, verliere man ein knappes Jahr, und dann wäre es zu spät, um Fördermittel der EU zu bekommen, sagte Reiche dieser Zeitung. Steffen Reiche, SPD–Bundestagsabgeordneter aus Cottbus, griff unterdessen die beiden süddeutschen Unionspolitiker Kauder und Ramsauer an. Beide hatten am Dienstag Bedenken geäußert. „ Sie wollen zwar Endlager für Atommüll ihrer Atomkraftwerke im Norden Deutschlands durchsetzen, aber mit Rücksicht auf die Bevölkerung die angeblich gefährliche Ablagerung von CO2 in Untergrundspeichern verhindern.“

Der Wirtschaftsexperte der Linksfraktion im brandenburgischen Landtag, Ralf Christoffers, bezeichnete einen Stopp der Diskussion über das Gesetz als falschen Weg. Die Linke habe den vorliegenden Gesetzentwurf zwar immer als unausgereift bewertet. Über die rechtlichen Grundlagen müsse aber diskutiert werden. Zudem würden mit der aktuellen Entscheidung die bereits getätigten Investitionen in Forschungs- und Pilotprojekte infrage gestellt. Bereits am Dienstag warnte der Generalsekretär der märkischen CDU, Dieter Dombrowski, vor einem „Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen und vor steigenden Energiepreisen“, sollte das Gesetz scheitern.

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall macht indes mächtig Druck. In Brandenburg investiert Vattenfall Millionenbeträge in die unterirdische CO2-Lagerung. „Ein Scheitern des Gesetzes wäre ein fatales Zeichen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Europe AG, Tuomo Hatakka, und drohte: „Investitionen in Ostdeutschland werden durch die politische Entscheidung infrage gestellt.“

Das Zaudern der Union am Dienstag mobilisierte gestern auch die CCS-Gegner. In Berlin übergaben Vertreter dreier Bürgerinitiativen 37 000 Unterschriften gegen das geplante Gesetz an die Spitzenkandidatin der Grünen zur Bundestagswahl, Renate Künast. Etwa ein Drittel der Unterschriften kam aus den ostbrandenburgischen Regionen um Beeskow und Neutrebbin. Dort erkundet Vattenfall die Möglichkeit, CO2 unterirdisch einzulagern. Die Bedenken gingen über Eigentumsfragen hinaus, sagte der Bürgermeister von Beeskow, Fritz Taschenberger (SPD). Renate Künast bezeichnete das CCS-Gesetz als „Murks“ und einen „unverantwortlichen Schnellschuss“. Der brandenburgische Landesvorsitzende der Grünen, Axel Vogel, forderte die Landesregierung auf, sich von CCS und der Braunkohle zu verabschieden. Auch die Naturschützer des BUND-Landesverbandes und der Bauernbund Brandenburg schlossen sich dieser Forderung an.

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