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Das Mural „Hoodie Birds“ gestaltete der Streetart-Künstler Don John 2014 im Rahmen des Projekts „One Wall“ von Urban Nation am Mehringsplatz.

© promo

Brandenburg: Von der Straße ins Museum

Am 16. September eröffnet in Berlin das Urban Contemporary Art Museum. Direktorin Yasha Young erklärt das Projekt

Berlin - Von den U-Bahngleisen in Berlin-Schöneberg fliegt man in ein Gebäude, sieht riesige Gemälde an den Wänden, Köpfe mit übergroßen Augen, ein Gewusel aus Menschen und Tieren, alles mit Sprühfarbtupfern garniert. Was stutzig macht: Die meist großflächigen Streetartbilder sind in der Videoanimation „From Vision to Reality“ eben nicht auf Gebäuden zu sehen, sondern in einem eigens dafür gebauten Museum. „Gehört denn Straßenkunst ins Museum?“, fragt man sich da. Ja, gehört sie, findet Yasha Young. Kunst aus dem Museum auf die Straße und die Straßenkunst ins Museum holen das treibt die Kuratorin von Urban Nation an.

Seit fünf Jahren plant sie ihr Herzensprojekt, ein eigenes Museum für moderne urbane Kunst. Dabei will sie nicht einfach Graffiti und Streetart ins Museum holen das ist ihr wichtig. „Streetart-Künstler arbeiten ja auch drinnen“, stellt sie klar. Deswegen werden ab dem 16. September auch Leinwände, gefundene Objekte und Stahlinstallationen an den Wänden und in den Räumen des Eckhauses an der Bülowstraße 7 ausgestellt. Ein Team aus acht Kuratoren hat Young rekrutiert, zehn thematische Bereiche geben den Räumen ihre Struktur. „Wir haben versucht, einen Überblick über die relevanten Künstler zu schaffen, aber auch die jungen, aufstrebenden Künstler zu kuratieren“, erklärt Young ihre Ambition. Da finden sich nicht nur klassische textbasierte und figurative Kunst, sondern auch abstrakte Werke und Techniken verschiedenster Art. Denn urbane Kunst ist so viel mehr als das hastig an die Wand gesprühte Graffiti, der großflächige stilisierte Kopf oder die freche Banksy-Ratte. „Wir finden hier viele Techniken wieder, die man auch auf der Straße findet: Auch da arbeiten die Künstler zum Beispiel mit Öl und Acryl“, so Young.

Den Übergang von der Straße ins Museum fließender gestalten die Skulpturen, die am Eröffnungswochenende auf der Bülowstraße aufgestellt sein werden. Vom Nollendorfplatz bis zur Frobenstraße soll sich die Kunstmeile erstrecken. Einige davon werden bleiben können, ansonsten konzentriert sich die Ausstellung aber auf die Museumsräume. Nach über einem Jahr Umbauarbeiten, finanziert durch die Lottostiftung, soll das Museum erst kurz vor der Eröffnung übergeben werden. Das Gebäude hat eine bewegte Geschichte: Früher bekannt als Möbelhaus Kretzer, gehört das Haus mittlerweile der Gewobag. Die war der urbanen Kunst wohlgesonnen: Schon 2014 hatte die Urban Nation, das in seinen Stammräumen schräg gegenüber des zukünftigen Museums bereits jetzt urbane Kunst ausstellt, die Fassade der Bülowstraße 7 verzieren lassen. Ein goldener Falkenkopf zierte damals die Hausfront und löste damit einen „Revolution“-Schriftzug ab. Neue Künstler kamen und übermalten die alten Motive wie das eben so das Schicksal von Straßenkunst ist.

Das Museum soll Beständigkeit schaffen und Legitimation an der fehlt es der urbanen Kunst noch, findet Yasha Young. „Ich habe bemerkt, dass es in Berlin noch keinen ernstzunehmenden Hub gibt, wo sich die Künstler treffen“, sagt sie. Seit 20 Jahren ist sie in der Szene unterwegs und hat viele internationale Kontakte – ihre beiden Kuratoren Jaime Rojo und Steven P. Harrington etwa sind Gründer des Blogs brooklynstreetart.com und hauptsächlich in amerikanischen Metropolen aktiv. An Berliner Künstlern ist mit 1UP ein klassischer Graffitikünstler, mit Herakut ein Spezialist in Sachen großflächiger, traurig dreinschauender Mädchenfiguren und mit 1010 ein Illusionskünstler, dessen knallige 3D-Löcher den Zuschauer magisch anziehen, vertreten. Die internationalen Gäste nach Berlin zu locken war ein Kinderspiel. „Die Künstler sind begeistert von Berlin“, sagt Young. 90 Prozent der Werke sind eigens für das Museum geschaffen, der Rest sind historische Beispiele urbaner Kunst. Dabei waren die Künstler völlig frei in der Ausführung ihrer Projekte Young selbst hat noch nicht einmal alle Objekte gesehen.

Eine Plattform für Künstler aus aller Welt will die Kuratorin hier schaffen, mit eigener Bücherei und Urban Art-Archiv. Ateliers und Kuratorenworkshops sind ebenfalls geplant. Dabei sollen auch die Zuschauer nicht zu kurz kommen. „Connect. Create. Care“, ist das Motto des Projekts. Mit Kinderworkshops, Lesungen und sozialen Projekten will man die Nachbarn einladen, die Schwelle zum Museumsbesuch zu überwinden. Auch ausländischen Besuchern will Young das Berliner Straßenflair über die urbane Kunst näherbringen. Sie hofft auf einen „Zugang ohne Hemmschwelle“.

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