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Im Fokus der Kritik. Der Energiekonzern Vattenfall will abgeschiedenes CO2 aus seinen Kohlekraftwerken im Land Brandenburg unter die Erde pressen.

© Patrick Pleul

Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Vattenfall darf bei Neutrebbin erkunden

Landesbergamt gibt grünes Licht für Suche nach möglichen CO2-Endlagern. CCS-Gegner sind fassungslos

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Cottbus/Neutrebbin - Ungeachtet des erheblichen Widerstandes in der Bevölkerung hat das brandenburgische Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) in Cottbus am Dienstag der Vattenfall Europe Mining AG die Erlaubnis erteilt, bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) die Voraussetzungen für ein mögliches Kohlendioxidendlager zu erkunden. Wie das LBGR mitteilte, beziehe sich die Genehmigung auf eine Gesamtfläche von 353 Quadratkilometer. Vattenfall wolle prüfen, ob poröse salzwasserführende Schichten in einer Tiefe von 1400 Metern zur Erdoberfläche hin durch Tonschichten so abgedichtet werden, dass sie sich für die unterirdische Einlagerung von CO2 eignen. Die Erlaubnis, so das Landesbergamt, beziehe sich allerdings ausschließlich auf die Erkundungsarbeiten, eine CO2-Verpressung sei damit noch nicht genehmigt.

Bereits Ende Oktober des vergangenen Jahres hatte das LBGR dem Energiekonzern trotzt massiver Proteste der Anwohner vor Ort die gleiche Erlaubnis für die Region Birkholz-Beeskow (Oder-Spree) erteilt. In Neutrebbin herrschte gestern nach Eintreffen der Hiobsbotschaft bei den Gegnern der umstrittenen CCS-Technologie (Carbon Dioxide Capture und Storage) Fassungslosigkeit. „Wir müssen uns erstmal sammeln. Mit einer so raschen Entscheidung haben wir gar nicht gerechnet“, bestätigte gestern Sylvia Wadewitz von der Bürgerinitiative CO2ntra-Endlager. Man fühle sich „völlig überrumpelt“.

Am kommenden Freitag plant die Bürgerinitiative eigenen Angaben zufolge eine spontane Demonstration in Neutrebbin unter dem Motto „Keinen Fußbreit auf unser Land“. Zudem hatten die CCS-Gegner bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt, das gesamte Erkundungsverfahren durch juristische Nadelstiche torpedieren zu wollen, sollte das Landesbergamt die beantragte Untersuchung genehmigen. Unterstützt wird die Initiative dabei von der renommierten Kanzlei Geulen & Klinger. Einen Namen haben sich die Anwälte an der Seite der Bombodrom-Gegner im Kampf für eine freie Heide gemacht. Das mittlerweile vorbereitete Einspruchsverfahren der betroffenen Kommunen werde jetzt umgehend eingeleitet, bekräftigte gestern Ulf Stumpe von CO2ntra-Endlager.

In der Gemeindeverwaltung von Neutrebbin schlug die Nachricht gestern ebenfalls wie der Blitz ein. „Das ist die größte Sauerei des Jahres. Ich konnte es zuerst gar nicht glauben “, schimpfte Bürgermeister Siegfried Link (parteilos). Noch vor wenigen Tagen habe es geheißen, mit einer Entscheidung sei vorerst nicht zu rechnen, berichtete Link. „Alle unsere Bemühungen waren also offenbar umsonst. Die Landesregierung hat uns im Stich gelassen.“

Wegen der im Koalitionsvertrag erklärten Unterstützung der CCS-Technologie steht vor allem die Linke in der Kritik. Noch vor der Landtagswahl hatte sich die damalige Oppositionspartei hinter die CCS-Gegner gestellt. Nun werden, wie berichtet, sogar unter einem Wirtschaftsminister der Linkspartei Strategien für ein besseres Image der CO2-Verpressung entwickelt. Zwar dementierte Minister Ralf Christoffers die Arbeit an einer solchen Werbekampagne, räumte aber die Einrichtung eines „Referats strategische Kommunikation“ ein, das Argumente zu strittigen Energiethemen vorausschauend entwickeln soll. Gleichzeitig ist der Wirtschaftsminister nach PNN-Informationen höchst unzufrieden mit der Informationspolitik Vattenfalls. Christoffers wirft dem Energiekonzern vor, die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten nicht genügend aufgeklärt zu haben.

Die ostbrandenburgische Landtagsabgeordnete Sabine Niels von Bündnis 90/Die Grünen hingegen warf gestern auch Christoffers Versäumnisse vor. Der vom Minister angekündigte Dialog über eine mögliche CO2-Verpressung sei bis heute nicht geführt worden. Nun werde die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt. „Ihre berechtigten Sorgen und Bedenken wurden ignoriert“, bemängelte Niels. Gleichzeitig forderte sie die Landesregierung auf, noch bevor die Erkundungsarbeiten beginnen über die international von Wissenschaftlern diskutierten Risiken zu informieren.

Begrüßt wurde die Entscheidung des Landesbergamtes gestern von der brandenburgischen CDU. Der energiepolitische Sprecher der Landtagsfraktion Steeven Bretz sagte, es sei absolut richtig, dass erforscht werde. Gerade im Zuge des Braunkohleabbaus sei CCS unausweichlich, um klimaschädliche Treibhausgase zu minimieren, so der CDU-Politiker. Nur so könne die Braunkohleverstromung langfristig Bestandteil der Klimastrategie des Landes bleiben.

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