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Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: „Habe lediglich dienstliche Kontakte gehabt“

Landratsanwärter der Linken bestreitet Spitzel-Vorwürfe. SPD-Amtsinhaber Friese fordert von Pagel Verzicht auf Kandidatur

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Cottbus – Nach der Debatte um ehemalige Stasi-Spitzel in ihrer Landtagsfraktion muss die Partei Die Linke in Brandenburg jetzt auch eine Enthüllung in der Kommunalpolitik verdauen. Betroffen ist die Spitze des Lausitzer Kreisverbandes, dem mitgliederstärksten im Land nach dem in Potsdam. Es geht um Diethelm Pagel (57), seit 1993 Fraktionschef der Linke im Kreistag Spree-Neiße und seit zwei Jahren Kreisverbands-Vorsitzender in der Lausitz. Am Sonntag tritt Pagel zur Wahl des Landrats in Spree-Neiße an. Nun hat der Ältestenrat des Kreistags bei der Überprüfung alle drei Kandidaten Pagels Stasi-Tätigkeit aufgedeckt. Fest steht: Diethelm Pagel hat mit Unterbrechungen von 1975 bis 1986 unter dem Decknamen „Diethelm“ inoffiziell für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet. Das geht aus den Stasi-Akten des 57-Jährigen hervor, die den PNN vorliegen.

Pagel selbst bestreitet die Vorwürfe, einen Verzicht auf seine Kandidatur lehnt er aber ab. „Ich habe damals nur einen einzigen Bericht mit meiner Unterschrift für das MfS über die politische Lage in der Kompanie geschrieben.“ Zudem habe er lediglich dienstliche Kontakte zu MfS-Mitarbeitern im damaligen Chemiefaserwerk Guben gehabt und keine Verpflichtung als „IM“ (Inoffizieller Mitarbeiter) unterzeichnet. Darüber habe er auch seine Partei informiert.

Nach Aktenlage hat Pagel 1975 während seiner Armeezeit eine Berufung zum „GMS“ (Gesellschaftlicher Mitarbeiter Sicherheit) unterschrieben und Berichte abgegeben. „GMS“ gab es seit 1968, seit 1980 waren sie bei der Stasi registrierungspflichtig. Die Stasi-Unterlagenbehörde wertet diese als „besondere Form der inoffiziellen Zusammenarbeit“. Tatsächlich belehrte der Führungsoffizier Pagel schon bei dessen Verpflichtung über die „Einhaltung der Konspiration“. Der damals 23-Jährige sollte über „Fahnenfluchtabsichten“ und „negativ in Erscheinung“ tretenden Soldaten berichten und tat dies mündlich bei konspirativen Treffen. Später im Chemiefaserwerk ging es in Berufsausbildung und als Parteisekretär etwa um die Stimmung unter Lehrlingen und den Einfluss der Kirche.

Zurückhaltend äußerte sich die Linke auf die neuen Enthüllungen. Landesgeschäftsführerin Maria Strauß sagte, Pagel werde sich mit anwaltlichem Beistand um Einsicht in die Akten bemühen. „Das bisher veröffentlichte ist nichts Neues für uns“, sagte Strauß. „Seit den 1990er Jahren ist bekannt, dass Herr Pagel dienstliche Kontakte mit dem MfS hatte. Er wurde dreimal auf Stasi-Mitarbeit überprüft, ohne dass danach seine Integrität infrage gestellt wurde.“

Mehrere Politiker fordern von Pagel, nun nicht mehr zur Landratswahl anzutreten. „Allein wegen der politischen Hygiene erwarte ich, dass er seine Kandidatur zurückzieht“, sagte der sich zur Wiederwahl stellende Amtsinhaber Dieter Friese (SPD) am Mittwoch. Weder bei ihm, noch beim dritten Kandidaten, Harald Altekrüger (CDU), ergab die Überprüfung Hinweise auf eine Stasi-Tätigkeit. „Alle Kreistagsabgeordneten, darunter auch Pagel, wurden bereits 1990, 1993 und 1994 überprüft, nichts wurde gefunden“, sagte Friese gestern weiter. Allerdings seien damals noch nicht so viele Stasi-Akten wie heute erschlossen gewesen. Pagel „ist noch vor wenigen Tagen gefragt worden, ob er Kontakte zum MfS hatte und dies verneint. Dabei enthielt seine Akte 22 Berichte.“ Grünen-Landeschef Benjamin Raschke forderte ebenfalls einen Verzicht auf die Kandidatur. Er verwies auf einen Parteitags-Beschluss der märkischen Linken, wonach die Offenlegung der politischen Biographie zur Bedingung einer Kandidatur gemacht wurde. CDU-Chefin Johanna Wanka sagte, die Bürger könnten nur eine gute Entscheidung treffen, „wenn die Kandidaten mit offenen Karten spielen und die Wähler nicht täuschen“.

Außer in Spree-Neiße werden am Sonntag in vier weiteren Kreisen die Landräte erstmals direkt gewählt. Einer PNN-Umfrage zufolge wurden dort die Kandidaten nicht vorab extra überprüft. Überhaupt herrscht auf Kreisebene ein unterschiedlicher Umgang mit dem Thema. Während etwa in Ostprignitz-Ruppin nach Angaben der dortigen Kreisverwaltung die Abgeordneten zuletzt vor zehn Jahren auf Spitzel-Dienste überprüft wurden, geschehe dies im Kreis Barnim in jeder Legislaturperiode, hieß es aus der Kreisstadt Eberswalde.

Im Fall Pagel allerdings kommt das Ergebnis der Überprüfung trotzdem etwas spät. Zurücktreten von der Kandidatur kann er nicht mehr, nur auf das Amt verzichten. „Die Wahlzettel sind verteilt, die Briefwahl läuft bereits“, bestätigte Landrat Friese gestern.

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