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Von Alexander Fröhlich und Matthias Matern: Generelle Überprüfung ausgeschlossen

Innenministerium will aber die vier Fälle wahrscheinlich neu aufrollen. Alle schweigen – außer Schuster

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Potsdam - Offiziell verweist das brandenburgische Innenministerium bei der Frage nach einer erneuten Überprüfung der stasibelasteten Polizisten auf deren Persönlichkeits- und Datenschutzrechte und schweigt. Nach Informationen der PNN allerdings sollen jetzt alle Vorgänge, die Anfang der 90er Jahre zur Übernahme der vier angeblichen, ehemaligen Stasi-Mitarbeiter in den Landespolizeidienst geführt hatten, neu aufgerollt werden. Wie berichtet, wies das RBB-Magazins „Klartext“ am Mittwoch offensichtlich in drei der vier Fälle eine Verbindung zum ehemaligen Geheimdienst der DDR, dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), nach. Berndt Fleischer, heute Sprecher der Polizei Cottbus, Uwe V., Kriminalpolizist in Potsdam und Norbert R., Abteilungsleiter beim Landeskriminalamt sollen demnach hauptamtlich, bzw. als inoffizielle Mitarbeiter (IM) beim MfS tätig gewesen sein.

Das Magazin bezog sich dabei auf alte MfS-Karteikarten, Akten der Birthler-Behörde und Aussagen ehemaliger Stasi-Offiziere. Sollte es neue Erkenntnisse zu bereits überprüften Beschäftigten des Landes geben, würden diese einer erneuten Einzelfallüberprüfung unterzogen, versicherte daraufhin das Innenministerium. Während der ebenfalls unter Verdacht geratene Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, Andreas Schuster, die gegen ihn erhobenen Vorwürfen bestreitet, waren die anderen drei belasteten Polizisten auch gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Unklar bleibt nach wie vor, wie viele ehemalige MfS-Mitarbeiter noch in der Landespolizei tätig sind. Auch die Umstände, unter denen damals über eine Übernahme entschieden wurde, bleiben fragwürdig. Zumal neben Schuster vermutlich auch andere Mitglieder der sogenannten Bischofskonferenz selbst der Stasi angehörten, oder ihr nahe standen. Etwa 15 000 bis 16 000 Polizeibeschäftigte ließ das Land zwischen 1992 und Ende 2006 auf eine hauptamtliche oder inoffizielle MfS-Tätigkeit überprüfen, teilte die Birthler-Behörde auf PNN-Anfrage mit. Die meisten Ersuchen, rund 11 000, wurden 1992/1993 gestellt, etwa 2000 weitere 1997. In 24 Prozent aller Fälle habe es Hinweise auf eine Tätigkeit für die Stasi gegeben.

Für eine erneute Prüfung aller Landesbediensteten mit möglichen MfS-Verbindungen sei der Zug abgefahren, meint Jörn Mothes, langjähriger Stasi-Beauftragter Mecklenburg-Vorpommerns. „Das ist gesetzlich gar nicht mehr möglich“, sagte Mothes am Freitag. Durch eine Novelle des Stasiunterlagengesetzes vom Dezember 2006 ist nur noch die Überprüfung von Behördenleitern oder von Personen in vergleichbar verantwortungsvollen Positionen möglich. Derzeit ist Mothes an der Erarbeitung eines Gesetzes für die Stelle eines Beauftragten für Diktaturfolgen in Brandenburg beteiligt. Anfang Juli will der Landtag das Gesetz verabschieden.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat unterdessen für „Sachlichkeit und Augenmaß“ geworben. Unter dieser Prämisse werde sich die Landesregierung bei ihrer Sitzung am kommenden Dienstag mit dem Thema befassen, sagte Platzeck. Die Polizei dürfe 20 Jahre nach der friedlichen Revolution nicht durch eine neuerliche generelle Überprüfung unter Generalverdacht gestellt werden. „Zugleich bin ich natürlich der Meinung, dass in gravierenden Fällen auch eine Neubewertung nötig werden kann“, fügte er hinzu.

Zurückhaltend hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) auf die Debatte reagiert. Gerd-Christian Treutler, Vize-Chef des BDK-Landesverbandes, sagte gestern: „Wir sind der Auffassung, dass es keinen Neuigkeitswert gibt.“ Auch nahm er das Innenministerium dafür in Schutz, dass es keine Angaben machen kann, ob und wie viele frühere Stasi-Mitarbeiter noch bei der Polizei beschäftigt sind. „Es kann keine gesonderte Erhebung gegeben haben. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, das weiter nachzuverfolgen.“ Unter den Kollegen sei „wenig Verständnis dafür vorhanden“, warum die Stasi nun wieder Thema wird.

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