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Von Alexander Fröhlich: Stasi-Verdacht: Woidke schreitet ein

Polizeisprecher nach neuen Aktenfunden vorerst beurlaubt SPD-Innenminister sieht Versäumnisse bei CDU-Vorgänger Schönbohm

Potsdam - Bis zum Donnerstagsmittag stand Bernd Fleischer noch mit Name und Foto auf der Internetseite der brandenburgischen Polizei – als Pressesprecher für den Schutzbereich Cottbus und Spree-Neiße. Dabei war er wegen neuer Stasi-Vorwürfe gar nicht mehr im Dienst. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hate den 59-Jährigen schon am Morgen mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben entbunden und beurlaubt. „In diesem Zwielicht darf ein Pressesprecher der Polizei, der in der Öffentlichkeit seine Dienststelle repräsentiert, nicht stehen“, sagte Woidke.

Grund für das eilige Einschreiten des Ministers sind neu aufgetauchte Akten der Stasi-Unterlagenbehörde, die das RRB-Magazin Klartext wie berichtet ausfindig gemacht hat. Demnach soll Fleischer vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit seit 1979 als IM „Fritz“ geführt worden sein. In der DDR war er Wachmann und sogenannter Erzieher im Rang eines Hauptmanns im Cottbuser Gefängnis, in dem politische Gefangene inhaftiert waren. Den Einsatzplänen zufolge war „Fritz“ zur gezielten Überwachung auch von Kollegen im Einsatz. Auch handschriftliche Berichte liegen laut Magazin vor, die dem früheren Strafvollzugsbediensteten des berüchtigten Cottbuser Gefängnisses zugeordnet werden können.

Das Innenministerium forderte Fleischer auf, sich zu den Vorwürfen zu äußern, und lässt den Fall prüfen. Woidke schloss „weitergehende Konsequenzen“ ausdrücklich nicht aus. Bei seiner Übernahme in den Polizeidienst nach der Wende hatte Fleischer laut Ministeriums eine Stasi-Mitarbeit nicht angegeben und erneut bestritten, was ihm nun zum Verhängnis werden könnte. „Anlass für arbeitsrechtliche Schritte ist der Nachweis, dass er damals falsche Angaben gemacht hat“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die neuen Erkenntnisse „erwecken erhebliche Zweifel an der bisherigen Darstellung Fleischers".

Der Fall ist bereits seit Sommer 2009 bekannt und sorgte für Schlagzeilen, allerdings fand die Stasi-Unterlagenbehörde damals nur Karteikarten. Das Innenministerium konnte allerdings bereits seit 2006 keine Auskünfte mehr über Mitarbeiter, sondern nur über Behördenleiter wegen einer möglichen Stasi-Mitarbeit einholen. Der damalige CDU-Innenminister Jörg Schönbohm konnte damals wenige Monate vor der Landtagswahl 2009 und dem Machtwechsel zu Rot-Rot nur bedingt eingreifen – trotz der aufgeheizten Debatte um hunderte Ex-Spitzel in den Reihen der Brandenburger Polizei. Fleischer war eine Versetzung und Ruhestand angeboten worden, der aber lehnte ab – und blieb auf seinem Posten. Das Ministerium hat das unter Schönbohm dabei bewenden lassen, ebenso unter Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD). Nun musste Woidke reagieren. Fleischer hätte als Tarifbeschäftigter aber schon unter Schönbohm versetzt werden können. „Es wurde aber nicht darauf gedrungen“, heißt es nun. Woidke sagte: „Tatsache ist, es ist unter Schönbohm nicht wirklich etwas passiert. Der Eindruck, er hätte hier gegen Stasi-Verstrickungen gekämpft, ist falsch.“

Es gibt einen weiteren Fall, den Woikde prüfen lässt. Es geht um den Chef der Hubschrauberstaffel, der in der Einheit zu DDR-Zeiten als Stasi-IM auch Kollegen bespitzelt und dies nach der Wende offen zugegeben hatte. Vor der Landtagswahl versetzte Schönbohm ihn wegen der erhitzten Debatte ins Innenministerium – „damals spielte nach Aktenlage der Stasi-Hintegrund aber keine Rolle“, sagt der Ministeriumssprecher. Vielmehr sollte der Mann Schönbohms gescheitertes Prestigeprojekt, den Tragschrauber, koordinieren. Unter Nachfolger Speer kam der Pilot auf seinen alten Posten bei der Spezialeinheit – als Führer der Hubschrauberstaffel. Ohne diese beiden Fälle sind laut Ministerium seit 2009 insgesamt fünf Beamte mit Stasi-Belastung versetzt worden und auch nicht mehr befördert worden. Nach 1989 wurden bei der Polizei 242 ehemalige hauptamtliche und 1238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter festgestellt, bis Mitte 2009 wurden rund 600 aus dem Dienst entfernt. Von einer internen Überprüfung waren bis dahin noch einmal 380 betroffen. Sie waren für die Stasi tätig, oder eine Mitarbeit war nach Aktenlage unklar.

Der Grüne-Fraktionschef Axel Vogel will die Übernahme-Praxis bei DDR-Beamten zum Thema der Enquete-Kommission zur DDR-Aufarbeitung machen. Zu klären sei, warum bei der Übernahme „Informationen über die individuelle Belastung einer Reihe von Polizisten“ unzureichend bewertet wurden.

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