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Von Alexander Fröhlich: Kreistag Oberhavel billigt NPD-Antrag

Linke-Politikerin Gerrit Große legte daraufhin Mandat nieder / demos-Chef Wilking: Keine Stimme für Anträge der Rechten

Oranienburg – Es war wohl ein Betriebsunfall am Mittwochabend, eine Stunde vor Anpfiff des Halbfinales bei der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Spanien. Nach langen Reden sollte es im Kreistag von Oberhavel ganz schnell gehen. Aber es passierte das, was nicht geschehen sollte: Eine Mehrheit aus CDU, FDP und Teilen der Grünen stimmte für einen Antrag der rechtsextremistischen NPD, wonach die Debatte im Kreistag zum Austritt aus dem Brandenburgischen Volkshochschulverband beendet werden sollte – ein klarer Tabubruch in Brandenburg.

Noch am Abend verlor das Kommunalparlament deshalb sein prominentestes Mitglied. Gerrit Große, Linke-Abgeordnete und Vize-Präsidentin des brandenburgischen Landtags, legte aus Protest gegen die Zustimmung zum Antrag der rechtsextremistischen Partei ihr Mandat im Kreistag nieder.

„Mich stört nicht so sehr der Antrag der NPD“, sagte Große, anerkannte Bildungsexpertin der Linksfraktion im Land, gestern den PNN. „Aber damit wurde der Konsens der Demokraten aufgebrochen, nicht für einen Antrag der Rechtsextremen zu stimmen. Dass haben wir auch so gehalten, als die DVU noch im Landtag war.“ Rückdeckung bekam Große von Linke-Landeschef Thomas Nord, der von einem richtigen Schritt sprach.

Vom Abstimmungsverhalten des Kreistags zeigte sich auch Dirk Wilking, Chef des Mobilen Beratungsteams gegen Gewalt und Rechtsextremismus in Brandenburg, überrascht. Wilkings Institut demos hat einen Leitfaden herausgegeben zum Umgang mit rechten Parteien in Kommunalparlamenten und Lokalpolitiker beraten. Seine Empfehlung: Keine Stimme für Anträge vom äußersten rechten Rand, „denn das wäre ein Zeichen, dass man sie auf Augenhöhe akzeptiert“. Aus den letzten drei Jahren sei ihm kein Fall aus Städten und Kreisen in Brandenburg bekannt, bei dem es „eine Zustimmung zu NPD-Anträgen überhaupt gegeben hat“, sagte Wilking.

Große war am Mittwochabend ohnehin sensibilisiert, befand sich nach dem Beschluss im „Schockzustand“, wie sie selbst sagte. Zuvor hatte sie Proteste gegen Rechts in Oranienburg und Hennigsdorf mitorganisiert, um dort zu Wochenbeginn Aufmärsche von Neonazis zu verhindern. Bei der Kommunalwahl im September 2008 konnten NPD und DVU deutlich zulegen und in zahlreiche Kommunalparlamente einziehen, wo seither Konsens zum Umgang mit den Rechtsextremen herrscht.

Einige Mitglieder des Oberhavel-Parlaments werfen Große nun vor, überreagiert zu haben, weil es sich lediglich um einen Antrag zur Geschäftsordnung und keinen inhaltlichen Antrag gehandelt habe. Die Linkspolitikerin dagegen sagt, ihr sei durch den NPD-Antrag das Rederecht entzogen worden. „In den Reihen der anderen Fraktionen gibt es offensichtlich keine klaren Spielregeln, wie der Umgang mit der NPD auszusehen hat“, erklärte Große. „Sie sind bereit, einem Antrag dieser Partei zu folgen und damit der Linken zu schaden.“ Zumal sich ohnehin ein Ende der Debatte um die Mitgliedschaft des Kreis im Landes-Volkshochschulverband abgezeichnet habe. Auch die SPD habe durch ihre Enthaltung den NPD-Erfolg begünstigt. „Die Schmerzgrenze ist deutlich überschritten“, sagte die Landtagsvizepräsidentin, die 20 Jahre lang Mitglied des Kreistages war, aber Vorsitzende der Linke in Oberhavel bleiben will.

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