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Muss da jemand gehen? Innenminister Woidke will den Kripo-Chef von Spremberg entlassen. Es könnte noch mehr Ex-DDR-Geheimdienstler in den Reihen der Polizei treffen.

© Michael Urban/ddp

Von Alexander Fröhlich, Jana Haase und Matthias Matern: „Polizeiwachen Light“

Erste Details zur Strukturreform stoßen auf heftige Kritik – das Innenministerium dementiert

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Potsdam - Brandenburgs Polizei steht vor massiven Einschnitten. Nach jetzt bekannt gewordenen Plänen der Landesregierung könnte die Zahl der rund um die Uhr besetzten Polizeiwachen mindestens halbiert werden. Als Ergebnis aus den Verhandlungen einer Expertenkommission zur Strukturreform soll es statt heute 52 Wachen dann nur noch 24 Wachen geben. Sogar eine Reduzierung auf zwölf Wachen ist erwogen worden, wie die PNN erfuhr. Als Ersatz seien sogenannte „Gruppenposten“ geplant, die nur tagsüber zu erreichen sind, hieß es. Auch die Gesamtstruktur soll sich verändern: An die Stelle der heute 15 Schutzbereiche sollen vier Direktionen in Potsdam, Neuruppin, Cottbus und Frankfurt (Oder) treten, die bisher zwei Polizeipräsidien in der Landeshauptstadt und in Frankfurt (Oder) sollen fusionieren. Zugleich soll angeblich eine von vier Einsatzhundertschaften abgeschafft und das Landeskriminalamt (LKA) verkleinert werden. Selbst die Hubschrauberstaffel steht auf dem Prüfstand: Nach PNN-Informationen ist der Verkauf von mindestens einem der beiden Eurocopter im Gespräch, um mehrere hunderttausend Euro einzusparen. Die Staffel soll bis Ende Mai vom Flughafen Schönefeld an den Standort der Fliegerstaffel der Bundespolizei in Blumberg (Barnim) ziehen. Zu den Gedankenspielen gehört auch, die Staffel komplett aufzulösen und bei Bedarf die Bundespolizei heranzuziehen.

Das Innenministerium wollte die Pläne am Freitag offiziell nicht bestätigen und wies entsprechende Berichte als falsch zurück. Nach PNN-Informationen sind die jetzt bekannt gewordenen Details aber tatsächlich Gegenstand bei den Gesprächen der Kommission gewesen, allerdings liegt noch kein Papier mit konkreten Festlegungen vor. Offiziell wird der Kommissionsbericht erst im Sommer vorgestellt, Innenminister Rainer Speer (SPD) will sein Strukturkonzept nach der Sommerpause präsentieren. Ziel ist es, die Stellenzahl bei der Brandenburger Polizei bis zum Jahr 2020 um 1900 auf 7000 zu senken.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte die Pläne gestern als „unverantwortlich“ und warnte vor einer „Polizei nach Kassenlage“. Die Kripo-Gewerkschaft befürchtet eine „Bruchlandung der Inneren Sicherheit“. Mit der Reduzierung der Wachen sei die polizeiliche Grundversorgung zur schnellen Gefahrenabwehr und Bekämpfung der Kriminalität vor Ort nicht mehr gesichert: „Eine Reduzierung der Polizei auf 7000 Stellen ist ein Rückzug aus der Fläche und deshalb unverantwortlich.“ BDK-Vize Gerd-Christian Treutler kritisierte, dass die angestrebte Reform keine Funktionsverbesserung anstrebe, sondern allein auf Personaleinsparung abziele. Er verwies zudem auf die kaum zwei Jahre zurückliegende Polizeireform mit einer Kürzung von landesweit 1395 Stellen, mit der bereits „das Maß des Verkraftbaren“ erreicht worden sei.

Widerstand regte sich auch bei den betroffenen Kommunen: Christian Große, der Sprecher des CDU-Stadtverbandes in Werder (Havel), etwa verwahrte sich am Freitag erneut gegen eine „Polizeiwache Light“ für die Blütenstadt. Den Plan zur Einrichtung einer bloßen Tageswache, dem sogenannten „Gruppenposten“, bei der die anfallende Arbeit in der Nacht durch „rollende Büros“ übernommen wird, lehnte er strikt ab. Die Bürger bräuchten auch nachts vor Ort einen Ansprechpartner bei der Polizei, so Große.

Auch Thomas Wardin, SPD-Bürgermeister von Beelitz, bezeichnete die vermeintlichen Reformpläne auf PNN-Anfrage als „unverantwortlich“. Die Polizei müsse „in der Fläche da sein“, betonte er: „Präsenz in den Orten ist einfach wichtig.“ Bei einer weiteren Ausdünnung des Netzes sei die Sicherheit nicht mehr gewährleistet, befürchtet Wardin. Die Spargelstadt gilt wie Werder als wahrscheinlicher Kandidat für die Einrichtung der nur tagsüber besetzten „Gruppenposten“.

Auch in der Opposition stießen die bekannt gewordenen Details auf Kritik. CDU-Innenexperte Sven Petke sagte: „Das ist erst der Anfang. Der heutige Standard ist nicht zu halten.“ Das Land ziehe sich damit aus der staatlichen Verantwortung zurück. „Der Innenminister ist gewillt, einen Anstieg der Alltagskriminalität wie Einbrüche, Sachbeschädigung und Körperverletzunegn in den berlinfernen Regionen zu akzeptieren“, kritisiere Petke. „Bei den Interventionszeiten der Polizei werden wir eine deutliche Zunahme erleben.“ Als „unzulänglich“ und „in Teilen stümperhaft“ bezeichnete FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz die Reformpläne. Es werde scheinbar „solange an den Polizeistärken und -strukturen herumgeschraubt, bis es schließlich rechnerisch passt“. Der Abbau der Wachen beeinträchtige die Sicherheitslage.

In der Vergangenheit hatten Gerüchte über die Polizeireform immer wieder für Verwirrung gesorgt. So kursierten lange Zeit unterschiedliche Zahlen zur angepeilten Personalstärke. Noch vor der Landtagswahl hatte Speer selbst einen möglichen Abbau von rund 3000 Stellen in die Runde geworfen, später soll dann im Innenministerium nur noch von 1600 die Rede gewesen sein.

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