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Von Alexander Fröhlich: Biomasse-Anbau bedroht seltene Tiere Umweltministerin Tack (Linke) will Artenschutz in Agrar-Förderrichtlinien der EU verankern

Potsdam - Artenschutz und Landwirtschaft kommen sich in Brandenburg immer stärker ins Gehege. Brandenburgs Umweltministerium macht dafür indirekt die zunehmende Produktion von Biomasse auf Brandenburgs Feldern verantwortlich.

Potsdam - Artenschutz und Landwirtschaft kommen sich in Brandenburg immer stärker ins Gehege. Brandenburgs Umweltministerium macht dafür indirekt die zunehmende Produktion von Biomasse auf Brandenburgs Feldern verantwortlich. Besonders problematisch sei der Trend zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft durch den zunehmenden Anbau von Biomasse zur Energiegewinnung, sagte Axel Steffen, Abteilungsleiter Naturschutz, am Montag in Potsdam. Eine große Gefahr sei beispielsweise der Grünlandumbruch für den Maisanbau. Früher unangetastet gebliebene Restflächen würde verstärkt für den Anbau von Energiepflanzen genutzt. Dabei böten Wiesen mit vielen verschiedenen Pflanzen gerade bedrohten Vögeln wichtigen Lebensraum. Jede Wiesenpflanze sei Lebensraum für bis zu sieben Insekten und Tiere, die auch Futter für Jungvögel seien.

Besonders dramatisch ist deshalb die Entwicklung bei den Wiesenrbrütern. So gibt es nur noch 77 Brutpaare des Brachvogels und 13 Brutpaare der Uferschnepfe. Auch das Rebhuhn ist massiv bedroht. Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) forderte den Bund und die EU daher zur Verbesserung des Artenschutzes auf. Effektive Maßnahmen zum Umweltschutz fehlten im Ackerbau bislang. Bauern müssten künftig auch für die Landschaftspflege bezahlt, Agrar-Fördermittel an Maßnahmen zum Schutz der biologischen Vielfalt sowie im Klima- und Naturschutz gekoppelt werden.

Um die Schlüsselrolle der Landwirtschaft zum Erhalt der Artenvielfalt in der kommenden EU-Förderperiode ab 2014 festzuschreiben, schickt Tack zusätzliche Mitarbeiter für die anstehenden Verhandlungen nach Brüssel. Denkbar sind für das Umweltministerium etwa Auflagen etwa für Grünflächen am Ackerrand, die unangetastet bleiben. Auch der Einsatz von Düngemitteln und Insektiziden ist ein Problem.

Brisant ist die Bedrohung der Artenvielfalt durch Biomasse-Produktion, weil letztere ein zentraler Baustein der Landesregierung beim Ausbau erneuerbarer Energien ist. Deren Anteil soll bis 2020 auf mehr als 20 Prozent steigen. Dazu will Tack in den nächsten Monate eine neue Biomasse-Verordnung vorstellen.

Neben der Landwirtschaft nannte Tack auch die Zerschneidung der Landschaft durch Verkehrsprojekte wie Autobahnen als Grund. Nun will Tack mit einem konkreten Maßnahmepaket die Artenvielfalt erhalten, dazu gehören Querungshilfen für Wildtiere, zwei weitere Grünbrücken über Autobahnen sind geplant. Das Modellprojekt an der A 11 ist Tack zufolge erfolgreich verlaufen.

Mit rechtzeitigem Gegensteuern könne der Bestand vieler bedrohter Tiere gesichert werden, sagte die Ministerin. Erste Erfolge gibt es bei See- und Fischadlern, die Zahl der Brutpaare hat sich verdreifacht. Die Zahl der Seeadler-Brutpaare stieg zwischen 1990 und 2007 von 54 auf 143, bei den Fischadlern von 100 auf 309, bei den Kranichen von 500 auf mehr als 2000. Probleme gibt es bei den Rotmilanen, dort sank die Zahl der Brutpaare um 15 Prozent auf 1875.

Tack zeigte sich aber zuversichtlich, dass Brandenburg die Bundespläne zur Ausweisung von zwei Prozent des Landesgebiets und damit rund 60 000 Hektar Flächen als Wildniszonen bis 2020 erfüllen kann. Dafür kämen insbesondere Teile von Naturschutzgebieten und Biosphärenreservaten, alten Truppenübungsplätzen und Bergbaufolgelandschaften in Frage. Derzeit sind gut 20 000 Hektar als Wildnis geschützt.

Ein Teil der märkischen Wildnis soll gar internationalen Schutzstatus erhalten: Europas größter zusammenhängende Tiefland-Buchenwald, der Grumsiner Forst in der südlichen Uckermark, soll ab dem Jahr 2011 nach den Wünschen Brandenburgs Unesco-Weltnaturerbe sein – in einer Reihe mit dem Grand Canyon in den USA oder dem Great Barrier Reef vor Australien.

Im September nehmen dazu Experten der Weltnaturschutzunion (IUCN) das 600 Hektar große Gebiet im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in Augenschein, so Tack. Seit 20 Jahren ist der Wald Totalreservat: Nur eine Autostunde nördlich von Berlin wachsen Jahrhunderte alte Baumriesen, dazwischen Moore und Seen. Für Tack ist der Schutz von Buchenwäldern ein wichtiger Beitrag zum Artenschutz, sie böten Lebensraum für mehr als 10 000 Tier-, Pflanzen und Pilzarten.

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