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Bedrohtes Idyll? Der Bürgerpark im Berliner Stadtteil Pankow ist bei Besuchern beliebt. Aber nun fühlen sich viele nicht mehr wohl, weil Dealer dort ihre Runden drehen.

© J.Carstensen/dpa

Brandenburg: Vom Bürgerpark zum Drogenpark

Dealer, Räuber, Randalier: Anwohner fürchten, dass sich Pankows einstiges Vorzeigegrün zum Kriminalitätszentrum entwickelt

Berlin - „Da, Dealer!“ Max Grüber zeigt auf zwei Männer, die gerade aus Pankow in Richtung Wedding radeln. „Ungeniert und am helllichten Tag sind die hier unterwegs.“ Zornig blickt er hinterher. Grüber sitzt im Café Mirabelle am Berliner Bürgerpark, gemeinsam mit anderen Anwohnern diskutiert der Imker darüber, dass Pankows Vorzeige- langsam zum Problempark mutiert. Lange galt der Bürgerpark abgesehen von den darüber hinwegdonnernden Flugzeugen als innenstadtnahe Oase. Doch nun wird er offenbar von Entwicklungen der City eingeholt, vor denen immer mehr Nutzer dorthin eigentlich flüchten wollten. Das sind nicht nur die immer größeren Müllberge und Vandalismusschäden – vor allem die steigende Kriminalität beunruhigt die Anrainer, die sich im Verein „Bürgerpark-Initiative Pankow“ zusammengeschlossen haben.

Max Grüber betreibt die Imkerei am Westrand des Parks, er ist auch hier aufgewachsen, „aber mein Sicherheitsgefühl hat zuletzt deutlich abgenommen. Ich fühle mich hier unwohl.“ Dealer, Einbrecher und Diebe treiben rund um das ehedem beschauliche Grün inzwischen organisiert ihr Unwesen, sagt er. Auch Markus Kliem von den inklusiven Delphin-Werkstätten am Südrand des Parks betrachtet die Entwicklung „mit großer Sorge“.

Die Drogenszene hat sich laut Grüber seit 2015 etabliert, „hier wird hartes Zeug wie Heroin, Crack und Kokain in großen Mengen umgesetzt“. Betroffen seien vor allem der Westteil des Parks Richtung Wedding und der angrenzende einstige Mauerstreifen zwischen den Bahnhöfen Wollankstraße und Schönholz. In den Büschen, entlang der Panke und auf dem großen Spielplatz würden Deals abgewickelt und Spritzbesteck entsorgt, dabei würden die Dealer immer aggressiver und mitunter auch Passanten wüst beschimpfen.

Ein Hauptgrund für die Abwärtsspirale des Bürgerparks ist laut der Anwohner das verwunschene Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Schönholz im Niemandsland zwischen Pankow, Reinickendorf und Wedding. Seit langem gibt es Pläne, dort neben dem Kinderbauernhof Pinke- Panke einen naturnahen Erfahrungsraum einzurichten. Stattdessen verfalle das Gelände immer weiter, so Annett Rose, die Leiterin des Kinderbauernhofs. Die Bahnhofsbaracke werde „massenhaft“ von Obdachlosen genutzt, „da gibt es schon Stress“, sagt Rose. Noch unangenehmer sind ihr die direkten Nachbarn: Der verwilderte Grünzug an den Bahngleisen nördlich des Bauernhofs habe sich zum Dealerzentrum entwickelt. Die Ecke sei „ein bisschen unheimlich“, sagt Rose, gerade für Kinder sei die Nähe zu den Dealern gefährlich: „Sie können das vom Abenteuerspielplatz aus direkt beobachten.“

Hinzu kämen die regelmäßigen nächtlichen Einbrüche, gerade auf dem Kinderbauernhof. Manchmal sind es nur randalierende Jugendliche, die Tiere erschrecken oder klauen oder Spielgeräte in die Panke werfen. „Doch häufig sind es auch Profis, die Geld und Wertsachen suchen“, sagt Rose. Jene schlagen auch in Wohnungen, Läden und Autos im umliegenden Viertel immer häufiger zu. „Mein Vater bekommt wegen der vielen Einbrüche schon keine Versicherung mehr für seine Firma“, sagt Grüber. Er selbst wurde im April Opfer des Vandalismus. Seine Imkerei am Westrand des Parks wurde zerstört. 90 000 Bienen starben. Derzeit werden mit Spenden neue Bienenstöcke im Panke-Hochwasserschutzbecken, das nun ein Naturlehrpfad ist, aufgebaut. Dazu wurde in dieser Woche ein Falkennistkasten geschraubt. Hoffentlich haben sie eine Überwachungskamera eingebaut, bemerkt ein Anwohner sarkastisch.

Was sich die Anwohner wünschen? „Präsenz, Präsenz, Präsenz“, sagt Annett Rose. „Wir wollen keinen Polizeistaat, aber dass man ab und zu hier mal eine Runde fährt, vor allem Freitag und Sonnabend.“ Ein paar Mal sei sogar der Bundesgrenzschutz schon dagewesen, „aber das reicht nicht, die Dealer haben ihre Späher und kommen immer wieder“.

Deswegen schlägt Markus Kliem vor, dass die Delphin-Werkstätten für Behinderte mit Unterstützung des Bezirksamts zumindest tagsüber eine Art Parkwacht einrichten. „Seit zwei Jahren sind wir in Gesprächen mit dem Bezirksamt, dass wir zumindest tagsüber Präsenz im Park zeigen und uns um ein, zwei Beete kümmern.“ Aber es scheitere am Geld selbst für eine Praktikumsstelle. Man habe auch schon mit Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) über die wachsende Kriminalität geredet, sagt Grüber. Der Bürgermeister habe gesagt, im Vergleich zu anderen Parks in Pankow stünde der Bürgerpark noch ganz gut da. Kliem schüttelt ungläubig den Kopf. „Wenn nichts getan wird, haben wir hier bald Zustände wie im Mauerpark oder im Görlitzer Park.“

Christian Hönicke

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