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In den Zügen in Brandenburg ist der Platz oft knapp. Wer dann noch das Fahrrad mitnehmen will, bekommt Probleme.

© Sebastian Gabsch

Volksinitiative "Verkehrswende jetzt!": Pendler-Aktionswoche in Brandenburg gestartet

Mit einer Aktionswoche für Pendler erhöht die Verkehrswende-Volksinitiative den Druck auf die neue Landesregierung. An Brandenburger Bahnhöfen werden Unterschriften für eine neue Verkehrspolitik gesammelt.

Potsdam – Johanna von Hackewitz pendelt regelmäßig von Eberswalde (Barnim) nach Berlin, im überfüllten Regionalexpress 3. „Zur Rush-Hour ist der Zug so voll, dass das Stehen selbst in den ersten und letzten Waggons völlig normal ist und es sogar schwierig ist, überhaupt in den Zug zu kommen“, sagt die Sprecherin der Brandenburgischen Studierendenschaft und Mitbegründerin der Volksinitiative „Verkehrswende Brandenburg jetzt!“. Menschen, die die Bahn nutzen wollen, müssten die Chance haben, entspannt und pünktlich anzukommen. Das sei aber auf viele Strecken ein großes Problem, sagt von Hackewitz.

Kurz vor der Landtagswahl am 1. September wurde die Volksinitiative unter anderem vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gestartet, um Druck auf die künftige Landesregierung zu machen. 

Versprechen im Kenia-Koalitionsvertrag 

Tatsächlich widmen SPD, CDU und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag dem Thema Mobilität drei Seiten. Aber zufrieden sind die Initiatoren mit den darin angekündigten Verbesserungen nicht. Die Koalition plant den Anteil von Bus, Bahn, Rad und Fußverkehr von derzeit 41 Prozent auf 60 Prozent im Jahr 2030 zu erhöhen. Die Volksinitiative fordert eine Verdopplung bis zum Jahr 2035 auf 82 Prozent, bis 2050 soll der Verkehr in Brandenburg klimaneutral sein. Mit einer am gestrigen Montag gestarteten Aktionswoche will die Volksinitiative deshalb auf die Situation von Pendlern in Brandenburg aufmerksam machen und an Bahnhöfen Unterschriften für eine Verkehrswende hin zu einem besseren Öffentlichen Personennahverkehr sammeln.

Zu wenig Platz für Räder im Zug 

Auch Städte wie Potsdam mit wachsenden Einpendlerzahlen seien dringend darauf angewiesen, dass sich das ÖPNV-Angebot verbessere, sagt Mitinitiatorin Elrita Hobohm vom Verein Argus Potsdam. „Denn in der Potsdamer Innenstadt gehören Staus schon heute zum Alltag“, sagt sie. Der Teltower Stefan Overkamp, Landesvorsitzender des ADFC, fordert zudem bessere Fahrradmitnahmemöglichkeiten in Zügen: „Wer zu Spitzenzeiten mit dem Fahrrad in die Regionalbahn möchte, erlebt nur Frust.“ Insgesamt sei die Zahl der Fahrgäste im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg seit 2004 um fast 30 Prozent gestiegen, während sich der Anteil der bestellten Zugkilometer für den Regionalverkehr im gleichen Zeitraum nicht erhöht habe, monieren die Vertreter der Volksinitiative. Dabei werden für den Regionalverkehr bis 2030 eine weitere Nachfragesteigerung von jährlich mindestens 5,6 Prozent prognostiziert.

„Und das ist nur der bestehende Trend“, sagt Fritz Viertel, Vorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs VCD Brandenburg. „Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten die Brandenburger jedoch mindestens doppelt so viele Wege wie bisher mit Bus und Bahn zurücklegen“, so Viertel. Ein massiver Ausbau der Infrastruktur und mehr und längere Züge seien notwendig. Orte wie Brandenburg/Havel, Werder (Havel) und Fürstenwalde im Kreis Oberhavel bräuchten künftig einen 15-Minuten-Takt. Die Kenia-Pläne seien zu zaghaft und zu unkonkret, um eine wirkliche Verkehrswende einzuleiten.

Im Koalitionsvertrag steht als Ziel, an allen Bahnhöfen Brandenburgs tagsüber sowie an Werktagen mindestens einen Stundentakt im Regionalverkehr einzurichten. Zudem strebe die Koalition an, dass Oberzentren in 60 und Mittelzentren in 90 Minuten erreichbar sein sollen. „Die Einrichtung zusätzlicher Spätverbindungen (Regionalverkehr und PlusBus) wird die Koalition prüfen.“

Auch die Klima-Initiative sammelt noch Unterschriften 

Wie viele Unterschriften schon gesammelt wurden, kann die Volksinitiative auf Anfrage nicht beantworten. Mehr als 9000 Listen, auf der jeweils fünf Sympathisanten unterzeichnen können, seien bereits verschickt worden, sagt VCD-Geschäftsführerin Anja Hänel. „Wir sind sehr optimistisch, bis August 2020 die nötigen 20 000 Unterschriften gesammelt zu haben“, sagt sie. Dann muss sich der Landtag mit der Initiative beschäftigen.

Das Ziel verfolgt auch die von dem Oranienburger Bildungsforscher Henning Schluß ins Leben gerufene Volksinitiative, die die Ausrufung des Klimanotstandes für ganz Brandenburg fordert. Die ebenfalls kurz vor der Landtagswahl gestarteten, beiden konkurrierenden Volksinitiativen für besseren Artenschutz haben jeweils bereits mehr als 20 000 Unterschriften gesammelt.

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