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Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue (parteilos).

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Verstoß gegen Pressegesetz: Jüterbogs Bürgermeister Raue droht Disziplinarverfahren

Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue verweigert der "Märkischen Allgemeinen" Presseauskünfte - ein Verstoß gegen das Brandenburger Pressegesetz. Jetzt muss der Rathauschef mit Konsequenzen rechnen.

Jüterbog - Der umstrittene Bürgermeister der brandenburgischen Stadt Jüterbog (Teltow-Fläming) Arne Raue muss wegen seiner Presseblockade mit Konsequenzen rechnen. Das Landratsamt des Landkreises Teltow-Fläming prüft, ob ein Disziplinarverfahren gegen Raue eingeleitet wird. Das erklärte eine Sprecherin der Kreisverwaltung am Donnerstag. Auf die PNN-Anfrage, ob Landrätin Kornelia Wehlan (Linke) disziplinarrechtliche Schritte einleiten wird, sagte die Sprecherin: „Der Vorgang befindet sich in Prüfung.“ In Disziplinarverfahren wird ein mögliches Dienstvergehen von Beamten geprüft und kann zum Abschluss mit einer Disziplinarmaßnahme sanktioniert werden. Wie Brandenburgs Innenstaatssekretärin Katrin Lange (SPD) am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags sagte, kann auch die Stadtverordnetenversammlung als Dienstvorgesetzter ein Disziplinarmverfahren gegen den Bürgermeister einleiten.

Jüterbogs Bürgermeister will der "Märkischen Allgemeinen" keine Auskünfte mehr erteilen

Wie berichtet hatte Raue (parteilos) am Mittwoch offiziell erklärt, der Tageszeitung „Märkische Allgemeine“ keine Auskünfte mehr zu erteilen. Er lehne „die Zusammenarbeit mit ihr“ ab, hieß es in der Erklärung. „Stattdessen komme ich meiner Informationspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern über andere Printmedien, die kostenfrei jeden Haushalt erreichen, über die Stadtverordnetenversammlungen, über Facebook, das Amtsblatt und auch die gut gepflegte Stadthomepage nach“, so Raue. Zudem warf er dem Blatt reißerische Berichterstattung und Falschmeldungen vor.

Nach Angaben von Henry Lohmar, stellvertretender Chefredakteur der MAZ, sei das Verhältnis zu Raue schon länger schwierig. Der Bürgermeister blocke selbst einfachste Anfragen zu Statistiken des Rathauses ab. Die MAZ erhält nicht einmal die Rathausvorschau mit den offiziellen Terminen des Bürgermeisters. Bereits seit Monaten verweigere Raue der Lokalredaktion in Jüterbog grundsätzlich Auskünfte, berichtete die MAZ nun. Telefonisch habe er der Zeitung im Dezember 2016 erklärt, dass allein er entscheide, „welche Informationen Sie erhalten und wie lange das dauert“. Sein Vize hat die Order, Anfragen der MAZ unbeantwortet zu lassen, falls er außer Dienst sei.

Verstoß gegen das Brandenburger Pressegesetz

Mit seiner Weigerung, Anfragen zu beantworten verstößt der Bürgermeister gegen das Brandenburgische Pressegesetz. Dort ist in Paragraph fünf der „Informationsanspruch der Presse“ klar geregelt. Demnach sind Behörden – und damit auch Raue als Chef der Stadtverwaltung in Jüterbog und hauptamtlicher Wahlbeamter – verpflichtet, der Presse Auskunft zu erteilen. Anordnungen, die Auskünfte an die Presse verbieten, sind unzulässig.
Raue untersteht als Wahlbeamter dem Beamtenrecht. Er muss sich in besonderer Weise an Recht und Gesetz halten. Macht er dies nicht und verstößt er sogar vorsätzlich gegen geltende Gesetze, begeht er ein Dienstvergehen. Dann ist von einer schuldhaften Verletzung der Dienstpflichten die Rede.

Raue: MAZ gehört der SPD - aber das stimmt so nicht

Aber Raue hat kein Einsehen. Am Mittwochabend hatte Raue in der Stadtverordnetenversammlung nachgelegt. „Ich informiere die MAZ nicht mehr und das schon seit vier, fünf Monaten nicht mehr“. Und: „Ich verweise auf Paragraph eins, Absatz eins des Landespressegesetz. Und die MAZ ist für mich keine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse“. Vielmehr gehöre die MAZ der SPD.  

Das trifft so nicht zu. Tatsächlich gehört die MAZ zur Verlagsgesellschaft Madsack, an der die SPD-Tochter Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft aber nur 23,1 Prozent hält. Auch das Pressegesetz zitierte Raue unvollständig. Die Passage lautet komplett: "Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen und demokratischen Staates."

Die Landespressekonferenz Brandenburg, in der die landespolitischen Korrespondenten zusammengeschlossen sind, hatte am Mittwoch scharf gegen Raues Äußerungen protestiert. Der Vorsitzende der Landespressekonferenz, Benjamin Lassiwe, sagte: „Wenn auf der offiziellen Seite der Stadt Jüterbog der größten Brandenburger Tageszeitung die journalistische Unabhängigkeit und Überparteilichkeit abgesprochen wird, ist das starker Tobak." Und: „Unabhängig davon, ob Arne Raue die Ergebnisse einer Recherche gefallen oder nicht: Der Bürgermeister von Jüterbog ist verpflichtet, die örtlichen Kollegen der MAZ genau wie jedes andere Medium zu beliefern.“ Das Pressegesetz regele klar, dass kein Verwaltungsmitarbeiter ein Medium gegenüber einem anderen bevorzugen darf.

Am Donnerstag rechtfertigte sich Raue auf seiner offiziellen Facebook-Seite. " Bitte haben Sie aber Verständnis dafür, dass ich empört bin und mit der Überschrift "Bürgermeister stellt Wirtschaftsförderin kalt" wirklich ein ernstes Problem habe - diese Überschrift schädigt aus meiner Sicht den Ruf meiner langjährigen Mitarbeiterin. Menschen nehmen in erster Linie Überschriften war- dazu dienen sie. Auch andere Überschriften zu Artikeln, die ich erwähnt habe, waren derart problematisch", ist dort zu lesen.

Raue: Er könne gut damit leben, als Rassist beschimpft zu werden

Raue hatte bereits im Herbst 2015 Empörung ausgelöst, als er bewusst Panik voransteckend kranken Flüchtlingen schürte. Später kam heraus: Es war alles nur ausgedacht. Raue hatte den PNN damals gesagt, er könne gut damit leben, als Rassist beschimpft zu werden. Nach dem Brandanschlag auf eine Asylunterkunft für jugendliche Flüchtlinge ein Jahr später warnte Raue davor, Vermutungen zu den Tätern anzustellen, ob es etwa Rechtsextreme seien. Inzwischen sitzt ein verdächtiger Neonazi in Untersuchungshaft. Für den Anschlag auf die „sogenannten unbegleiteten minderjährigen Neuankömmlinge“ machte er die „völlig katastrophale Flüchtlingspolitik der Bundesregierung“ verantwortlich.

Dass er mit der Presse Probleme hat, zeigte er im Oktober 2016. Das ZDF besuchte ihn, es ging um das Reformationsjahr. Die Reporterin kam auf die Nächstenliebe zu sprechen und die Flüchtlinge. Raue lehnte ab, sagte, er fühle sich „beschallt“ vom Flüchtlingsthema. Nach mehrfachen Nachfragen auch zum Anschlag auf den kirchlichen Flüchtlingstreff Ende November 2015 und der Kritik an Raues Ausfällen gegen Flüchtlinge brach Raue das Interview ab.  

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