zum Hauptinhalt
Spuren des Nazi-Terrors. Bereits drei Jahre vor dem Bau des bekannten Konzentrationslagers Sachsenhausen – hier eine Registratur des Krankenreviers – hatten die Nationalsozialisten bei Oranienburg politisch Verfolgte, Gewerkschafter und Künstler inhaftiert.

© DAVIDS

Brandenburg: Verpasste Chance

Während Berlin mit zahlreichen Veranstaltungen an die Machtübernahme der Nationalsozialisten vor 80 Jahren erinnert, lässt Brandenburg ein angemessenes Gedenken vermissen

Von Katharina Wiechers

Potsdam - 80 Jahre ist es her, dass die NSDAP unter Adolf Hitler die Macht in Deutschland übernahm. Während sich in Berlin zahlreiche Museen, Bühnen und andere Kultureinrichtungen mit diesem Thema unter der vom Senat kreierten Dachmarke „Zerstörte Vielfalt“ auseinandersetzen, kann in Brandenburg von einem angemessenen Gedenken an den Beginn der Schreckensherrschaft keine Rede sein. Und das, obwohl viele Verbrechen der Nationalsozialisten auf märkischem Boden begangen wurden.

So entstand etwa in Oranienburg bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme durch Hitler im März 1933 eines der ersten Konzentrationslager – gut drei Jahre vor der Errichtung des bekannten KZ Sachsenhausen. In einem leer stehenden Oranienburger Fabrikgebäude mussten bis zum Sommer 1934 etwa 3 000 Häftlinge leiden, hauptsächlich politisch Verfolgte, Gewerkschafter oder Künstler. Der Sozialdemokrat Gerhard Seger oder der Schriftsteller Erich Mühsam waren unter ihnen.

An das KZ Oranienburg sowie weitere Lager aus der frühen NS-Zeit wollte die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten eigentlich mit einer großen Ausstellung anlässlich des Jahrestages 2013 erinnern. Doch das Land verweigerte dem Projekt „Früher Terror“ die Förderung. „Der Förderantrag wurde vom Kulturministerium abgelehnt, was wir außerordentlich bedauern“, sagt der Sprecher der Stiftung, Horst Seferens. Schließlich gebe es eine Reihe von Terrororten im Land, die historisch noch nicht ausreichend erforscht seien. „Es wurde eine Chance vertan, diese Dinge aufzuarbeiten.“

Sehr ärgerlich findet dies auch der Geschäftsführer des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, Jonas Frykman. Er hätte die Ausstellung begrüßt und sei erstaunt über die Weigerung des Kulturministeriums. „Eigentlich kann man der Landesregierung nicht vorwerfen, die Opfer des Nationalsozialismus nicht im Blick zu haben“, sagt Frykman. So habe Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erst kürzlich bei seiner Neujahrsansprache oder beim Holocaust-Gedenktag deutliche Worte gefunden.

Im Kulturministerium ist man offensichtlich bemüht, die Sache herunterzuspielen. Das von der Gedenkstättenstiftung geplante Projekt müsse ja nicht zwangsläufig im Zusammenhang mit dem Jahrestag gesehen werden, sagt ein Sprecher. Man habe abgewogen und sich letztlich dafür entschieden, stattdessen mehrere dezentrale Veranstaltungen anzubieten. Über die Landeszentrale für politische Bildung werde etwa die Vortragsreihe „1933 als Zäsur?" gefördert. Die Serie behandelt tatsächlich eine Reihe interessanter Themen, etwa den „Tag von Potsdam“, den Einfluss der Machtübername auf die Kirche oder die Behandlung des Ereignisses in der Geschichtsschreibung der DDR. Große Veranstaltungen oder Ausstellungen, die viele Brandenburger erreichen würden, sucht man in den Terminkalendern jedoch vergeblich.

Auch am Tag der Machtübernahme selbst, dem 30. Januar, war in Brandenburg von dem historischen Datum kaum etwas zu merken – während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin eine neue Ausstellung über den Weg Deutschlands in die NS-Diktatur im Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ eröffnete.

Auch Irmgard Zündorf vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam findet das sehr schade. Aus ihrer Sicht liegt das Problem beim Kulturministerium. Dort habe keiner die Initiative ergriffen und sich für eine Koordinierung der Veranstaltungen eingesetzt. „Es gab viele Projekte, aber die sind alle im Ideenstadium hängengeblieben“, sagt sie. Außerdem „wollte man offenbar kein Geld in die Hand nehmen“. Doch aus ihrer Sicht hätte auch eine gute Planung unter einer Dachmarke wie in Berlin gereicht. „In Berlin hat man mit der gemeinsamen Vermarktung unter ,Zerstörte Vielfalt’ mit wenig Geld viel erreicht“, findet Zündorf. Auch sie ist der Meinung, dass das Thema eine größere Beachtung verdient hätte. „Man hätte herausfinden können, wie sich der Nationalsozialismus in der Provinz ausgebreitet hat“, sagt die ZZF-Forscherin.

Zwar nicht mit einer Ausstellung, aber mit einer interaktiven Webseite geht dieser Frage Frykmans Aktionsbündnis nach. Auf brandenburg-33.de haben die Initiatoren Ereignisse aus den Jahren 1931 bis 1934  zusammengetragen, die in Zusammenhang mit der Machtübernahme der Nazis stehen. Dort ist etwa von der Beurlaubung des Mittenwalder Bürgermeisters zu lesen, der den Nazis nicht regimetreu genug war, oder vom Beginn der Dreharbeiten für den Propagandafilm „Hitlerjunge Quex“ mit Heinrich George auf dem Gelände der Babelsberger Filmstudios.

Das Bündnis werde – wie das Zentrum für Zeithistorische Forschung und andere politsche oder wissenschaftliche Institutionen – langfristig vom Land gefördert, betont der Sprecher des Kultuministeriums. Er gehe auch davon aus, dass sich Kulturministerin Sabine Kunst (parteilos) noch an Veranstaltungen zum Gedenken an den 80. Jahrestag beteiligen werde. An welchen, konnte er allerdings noch nicht sagen.

www.brandenburg-33.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false