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Brandenburg: „Verletzung der staatlichen Fürsorgepflicht“ Opposition erhebt schwere Vorwürfe gegen Ministerin Golze – die verspricht Transparenz

Potsdam - Sie geht in die Offensive: Am Donnerstag um 14 Uhr lud Diana Golze (Linke) zum Krisentreffen in ihr Ministerium. Die Gesundheitspolitiker der Fraktionen sollten informiert werden zum Stand der Dinge im Medikamentenskandal um mutmaßlich gestohlene und eventuell unwirksame Krebsmedikamente, die über eine Brandenburger Firma vertrieben wurden.

Potsdam - Sie geht in die Offensive: Am Donnerstag um 14 Uhr lud Diana Golze (Linke) zum Krisentreffen in ihr Ministerium. Die Gesundheitspolitiker der Fraktionen sollten informiert werden zum Stand der Dinge im Medikamentenskandal um mutmaßlich gestohlene und eventuell unwirksame Krebsmedikamente, die über eine Brandenburger Firma vertrieben wurden. Dass sie aufklären, auch die Landtagsabgeordneten umfänglich informieren wolle, das hatte Golze am Mittwoch bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz angekündigt. Nachdem beim Aktenstudium am Vorabend klar geworden war: Es gibt nichts mehr schönzureden. Es gab massive Versäumnisse in der ihr unterstellten Behörde, die für die Medikamentenüberwachung zuständig ist. Diese schritt ein gutes Jahr lang nicht richtig ein, informierte die Ministerin nicht.

Die Opposition war schon alarmiert, bevor der Skandal richtig begann, verlangte Akteneinsicht. Golze schwieg bis vorgestern, ließ wegen Terminkollisionen am vergangenen Freitag zunächst ihren Abteilungsleiter vor die Presse treten. Der trat sehr unsouverän auf, das ist angesichts der aktuellen Erkenntnisse klar. Er beschönigte, wusste vieles nicht. Nun also die Kehrtwende: Transparenz.

„Der Wille zur grundsätzlichen Aufklärung ist da“, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Raik Nowka, nach dem Treffen am Donnerstagnachmittag. Aber es gibt auch Stimmen, die sagen: Von einer Sozialministerin hätte man sich in ihrer ersten Reaktion mehr Empathie gewünscht, eine Bitte um Entschuldigung bei den Patienten. Oder das Schalten einer Hotline für Betroffene. Das passierte nun erst am Donnerstagabend. Bei vielen Menschen herrsche Verunsicherung. „Das tut mir aufrichtig leid“, erklärte Golze per Pressemitteilung. Ab dem heutigen Freitag sei nun täglich zwischen 10 und 16 Uhr eine Hotline geschaltet (0331/ 866-5020).

„Ich sehe in dem Fall eine grobe Verletzung der staatlichen Fürsorgepflicht, auf die sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen können müssen“, sagt die Fraktionsvorsitzende und gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Ursula Nonnemacher. Gemeinsam mit ihrem CDU-Kollegen Nowka will sie eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses einberufen. So weit wie die AfD gehen Grüne und CDU aber nicht. Die AfD forderte am Donnerstag Golzes Rücktritt. „Wir erleben eine linke Ministerin, die mit letzter Kraft um das Überleben kämpft, der wir aber heute schon prophezeien können, dass dieser Kampf bereits verloren ist“, sagte Fraktionschef Andreas Kalbitz.

Die Frage ein Jahr vor der Landtagswahl lautet: Wie wird sich der Koalitionspartner SPD verhalten, mit dem sich die Linke derzeit schon um das neue Polizeigesetz streitet? Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) solle sich in dieser Situation nicht hinter seiner Gesundheitsministerin verstecken, forderte CDU-Generalsekretär Steeven Bretz. „Ein Ministerpräsident darf in einer solchen Situation nicht schweigen. Ich erwarte, dass er sich zu der schwerwiegenden Verletzung von Schutzpflichten in seinem Verantwortungsbereich äußert“, sagte Bretz. „ Das ist er den schwerstkranken Betroffenen, die möglicherweise um die Chance einer Genesung gebracht wurden, schuldig.“

Vize-Regierungssprecherin Gerlinde Krahnert teilte am Nachmittag mit: „Ministerpräsident Dietmar Woidke erwartet selbstverständlich eine umfassende Aufklärung und geht davon aus, dass Ministerin Diana Golze alle offenen Fragen beantwortet.“ Die Landesregierung nehme die Vorgänge sehr ernst. Patienten wollten zu Recht Klarheit. „ Bei aller gebotenen Sensibilität und Brisanz des Themas sind politische Schnellschüsse jedoch keine Lösung“, sagte Krahnert.

Sie erwarte, dass der Fall „schnell und rückhaltlos aufgeklärt wird“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Britta Müller. Dabei müsse das Verhalten der Landesbehörden intensiv untersucht werden. Sie schließe sich dem Antrag von CDU und Grünen auf eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses an. Diese soll voraussichtlich am Mittwoch stattfinden. Zudem halte sie es für erforderlich, dem Pharmahändler aus Mahlow (Teltow-Fläming), der die Medikamente aus Griechenland bezog und weiterlieferte, die Betriebserlaubnis zu entziehen. Das ist bislang unterblieben, obwohl es rechtlich möglich wäre.

Aus dem Ministerium hieß es am Donnerstag nur: Die Akten der Staatsanwaltschaft Potsdam, die wegen Hehlerei gegen die Firma ermittelt, lägen nun vor und würden geprüft. Die Medikamentenaufsicht ist bislang nicht im Visier der Justiz. „Einen Anfangsverdacht, der uns veranlassen würde, auch gegen Mitarbeiter der Landesbehörde zu ermitteln, gibt es bislang nicht“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Anfrage.

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