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Verkehrskontrolle auf der A2: LKW-Fahrer fühlen sich zu sicher

Die Polizeidirektion West kontrolliert zu dicht auffahrende LKW auf der A2. Viele Fahrer fühlen sich zu sicher – und verursachen dadurch fatale Unfälle.

Kloster Lehnin - Zuerst will er nicht wissen, was er denn falsch gemacht haben soll. Der Lastwagenfahrer, den die Polizei auf die Raststätte an der A2 gebeten hat, zuckt die Schultern. „Alles gut“, meint er. „Na gut, dann zeigen wir ihm das noch mal“, sagt Polizeiobermeister Markus Redlich. In leuchtender Warnjacke gekleidet, geht er gemütlichen Schrittes zum BMW, der ihnen als zivile Tarnung und Messgerät diente. Ein paar Extras machen ihn zum Detektivwerkzeug: Hinter Font- und Heckscheibe sind Kameras installiert, die die Beamten früher manchmal mit Teddys versteckten. Die einlaufenden Bilder sind auf einem Bildschirm auf dem Armaturenbrett zu sehen. Dort schaut sich der LKW-Fahrer jetzt an, wie er nach einem Überholvorgang hinter einem anderen LKW einschert – und diesem an der Rückseite klebt. Obwohl genügend Platz hinter ihm ist, lässt er sich nicht zurückfallen. Nur sechs Meter trennen ihn vom Fahrzeug vor ihm, schätzt Redlich bei der Sichtung der Aufnahmen.

Neun Menschen durch LKW-Unfälle gestorben

1582 Mal verursachten LKW-Fahrer im Jahr 2018 Unfälle auf Autobahnen in Brandenburg – das ist ein Anstieg um 76 Unfälle im Vergleich zum Vorjahr. In beiden Jahren starben dabei jeweils neun Menschen, bei sieben dieser Unfälle war 2018 zu geringer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug die Ursache. „Der LKW fährt dann oft in ein Stauende oder in einen PKW“, erklärt Heiko Schmidt, Pressesprecher der Polizeidirektion West. „Das sind dann die schwersten Unfälle, mit schweren Verletzungen und stundenlangen Aufräumarbeiten. Deshalb kontrollierte die Polizeidirektion West im Rahmen einer bundesweiten Kontrollaktion am Donnerstag schwerpunktmäßig Lastwagen und Busse mit besonderem Augenmerk auf zu geringe Abstände.

Selbst wenn der angehaltene LKW-Fahrer nicht auf den LKW vor ihm, sondern auf einen PKW aufgefahren wäre, hätte auch er kaum eine Überlebenschance gehabt, schätzt Markus Redlich. Bei 80 Stundenkilometern legt das Fahrzeug 22 Meter pro Sekunde zurück, das sind bei drei Sekunden Reaktionszeit schon 66 Meter, bis der Fahrer auf das Bremspedal getreten hätte. Dazu kommt noch der Bremsweg.

Eigentlich sind 50 Meter Abstand nötig

„LKW haben keine Knautschzone“, sagt Heiko Schmidt. „Und von hinten schieben dann 40 Tonnen nach.“ Das führt dazu, das das Fahrergehäuse von unten-vorne und von hinten zusammengeschoben und der Fahrer eingequetscht wird. Markus Redlich war am Vortag bei einem schweren LKW-Unfall dabei, bei dem der Fahrer schwerverletzt aus der Kabine geholt werden musste. „Eine Stunde haben wir gebraucht“, sagt Redlich. Dabei müssen LKW eigentlich 50 Meter Abstand einhalten, sobald sie schneller als 50 Stundenkilometer fahren. Das entspricht dem Abstand zwischen zwei Markierungspfählen.

Neben dem Videofahrzeug ist eine noch modernere Technologie im Einsatz. Auf einer Brücke fünf Kilometer vor der Kontrollstation am Parkplatz Grebser Heide sind Kameras aufgebaut, ebenso darunter. Sie filmen, ähnlich wie die Kamera im Auto den Verkehr, anschließend erfasst eine Software automatisch die Fahrzeuge, die zu dicht auffahren und informiert einen der Motorradpolizisten, die zwischen Messpunkt und Parkplatz unterwegs sind und die LKW zum Parkplatz eskortieren. Die Videobilder gehen an einen der Polizeiwagen, die als mobile Bußgeldstellen eingerichtet sind. In einem sitzen Polizeikommissarin Kathleen Beeskow und Polizeihauptmeister Michael Hustedt. Gerade kommt eine Meldung herein.

Mit Erklärkarten zum Bußgeld

Beeskow und Hustedt gehen zum LKW und prüfen Reifen und den Tachometer, der in der Fahrerkabine hängt. Beeskow muss zunächst ihre eigene Berechtigungskarte einstecken, dann zeigt das Gerät Fahrt- und Ruhezeiten an. Hustedt kontrolliert derweil Reifen, Bremsen und Stoßdämpfer. Der Auspuff erregt seine Aufmerksamkeit – ist der vielleicht manipuliert? Er schickt einen Kollegen zur Überprüfung. Zurück im Wagen zeigt er die Aufnahmen: „Das ist ein ganz eindeutiger Fall“; sagt er. Die Software zeigt den tatsächlichen Abstand in rot-weiß und einen grünen Streifen, der zu den vorgeschriebenen 50 Metern Sicherheitsabstand fehlt. In diesem Fall ragt der grüne Streifen fast bis zum Fahrerhäuschen des vorausfahrenden LKWs. 110 Euro muss der Fahrer jetzt zahlen. Bis dahin braucht es manchmal ein bisschen Pädagogik – und ein mehrsprachiges Bußgeldsystem sowie laminierte Erklärkarten auf Türkisch, den baltischen Sprachen, Ungarisch, Englisch und Rumänisch.

„Viele LKW-Fahrer fühlen sich sicher“, sagt Michael Hustedt auf die Frage nach den Gründen für das fahrlässige Fahrverhalten. Manchmal sind die Berufskraftfahrer auch übermüdet, wie bei dem fatalen Unfall auf der A2 im September 2017, bei dem ein LKW ungebremst in ein Feuerwehrauto raste und zwei Feuerwehrmänner tötete. „Einige LKW-Fahrer meinen auch, sie müssen sich vom Vordermann ansaugen lassen, bevor sie zum Überholen ausscheren“, sagt Hustedt. Oder sie haben es einfach eilig und müssen eine Lieferung pünktlich an den Zielort bringen. Der LKW-Fahrer mit den sechs Metern Abstand jedenfalls sieht schnell ein, dass er zahlen muss, steckt hastig die Papiere ein und fährt weiter.

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