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In Jänschwalde betreibt Vattenfall ein Kraftwerk, das zu den größten CO₂-Emittenden Europas gehört.

© dpa

Verkauf der Braunkohle-Sparte von Vattenfall: Der Preis der Braunkohle

Verkaufs-Poker um Vattenfalls Kohlesparte: Der schwedische Konzern hofft eigentlich auf gute Erlöse in der Lausitz. Doch tschechische Analysten trüben die Aussichten.

Potsdam - Der Verkauf der Braunkohle-Sparte des Energiekonzerns Vattenfall entwickelt sich zum Preis-Poker. Tschechische Analysten taxieren den Wert der Lausitz-Tochter herunter – während Vattenfall potenzielle Käufer in seine Bücher schauen lässt. Ausgerechnet im „Svenska Dagbladet“, eines der beiden führenden Tageszeitungen in Schweden, dem Mutterland des staatlichen Energiekonzerns, werden tschechische Finanzanalysten mit der Aussage zitiert, dass Vattenfall keineswegs die geplanten zwei bis vier Milliarden Euro für die Kohletochter bekommen werde. Bestenfalls sei die Lausitzer Sparte noch 200 bis 300 Millionen Euro wert. Ein Analyst erklärte dem Blatt sogar, dass vielleicht nicht einmal dieser Preis zu erzielen sei und dieser „nahe null“ landen könne. Denn die Regierung in Stockholm, die dem Konzern ein striktes Greening verordnet hatte, wolle das schmutzige Erbe im Osten Deutschlands loswerden – und das um fast jeden Preis.

Tschechische Bieter wollen nicht mehr als 300 Millionen Euro zahlen

Zufall ist das alles nicht, überbewertet werden darf es allerdings auch nicht. Dennoch: Dass ausgerechnet aus Tschechien diese Ansage kommt, ist nicht verwunderlich. Gleich zwei Unternehmen haben Interesse an dem Kauf bekundet. Offiziell haben zwei tschechische Energieunternehmen Interesse signalisiert: die teilstaatliche CEZ und gemeinsam mit der Investmentgruppe PPF des reichsten Tschechen, Petr Kellner, die EPH, die schon die Mibrag in Sachsen-Anhalt besitzt und für ihren aggressiven Expansions- und Zukaufskurs bekannt ist. Auch das Unternehmen Czech Coal soll unter den Bietern sein.

Dem Bericht zufolge ist keiner der beiden offiziellen Bieter, also EHP und CEZ, bereit, mehr als bis zu 300 Millionen Euro zu zahlen. Der Analyst Peter Bart von der größten Handelsbank Tschechiens sagte dem Blatt, dass der erzielbare Preis für die Lausitztochter eine Enttäuschung für den schwedischen Eigner sein werde. Wegen der niedrigen Strompreise seien derartige Investitionen mit erheblichen Risiken verbunden.

Auch der neben anderen Finanzinvestoren vierte bekannte Interessent, der Essener Konzern Steag, der auf Wunsch der IG BCE für eine deutsche Lösung in der Lausitz sorgen soll, hat dem Vernehmen nach nur eine niedrige dreistellige Millionensumme für die Vattenfall-Tochter angeboten. Zudem haben die Steag-Eigner, mehrere Stadtwerke im Ruhrgebiet, wegen der Risiken bei der Braunkohle Widerstand angemeldet.

Vattenfall rechnet eigentlich mit mehr als zwei Milliarden Euro

Dass Vattenfall wohl nicht mit mehr als zwei Milliarden Euro rechnen kann, hat einen weiteren Grund: Keiner der Investoren ist abhängig von dem Geschäft, von dem Kauf der Sparte mit 8000 Mitarbeitern, vier Tagebauen, drei Kraftwerken und Anteilen an einem weiteren Kraftwerk. Vattenfall hatte optional sogar mehrere und durchaus rentable Wasserkraftwerke in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt in das Angebot gepackt. Wegen der Ausgangslage sei es dem Bericht zufolge unwahrscheinlich, dass sich die Bieter einen Preiskampf um das höchste Angebot liefern.

Immerhin scheint CEZ ein ernsthaftes Interesse zu haben. In Tschechien sind die Kohlereserven des Konzerns bis 2040 aufgebraucht, in der Lausitz aber reichen die Reserven länger: Es sind 1,3 Milliarden Tonnen Kohle, Vattenfall baute jährlich mehr als 64 Millionen Tonnen ab. Allerdings, so zitiert das „Svenska Dagbladet“ mehrere Experten, will CEZ zweierlei nicht riskieren: Das gute Rating für Kreditwürdigkeit mit der Note „AA“ und die Dividende für Tschechiens Staatshaushalt. Und Czech Coal will nur einen moderaten Preis zahlen – wenn überhaupt, dann als Abstauber, wenn die anderen Bieter aufgegeben haben, wie Analyst Peter Bart dem Blatt sagte. Und selbst das Unternehmen EHP, das auf Expansionskurs ist, verlangt zumindest eine Sicherheit: eine klare Ansage zu den Rahmenbedingungen in Deutschland für die Braunkohleverstromung. Erst am Montag hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bei einem Lausitz-Besuch bekräftigt, bis Sommer einen festen Fahrplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland bis spätestens 2050 vorlegen zu wollen. Hinzu kommen Risiken durch steigende Zertifikatspreise für den Kohlendioxid-Ausstoß (CO2).

Vattenfall: Das Gesamtpaket zählt

In der Vattenfall-Zentrale in Berlin hält man die Äußerungen der Analysten für die üblichen Spielchen im Verkaufs-Poker. Zudem hänge der Preis am Ende auch maßgeblich vom Umgang mit den Rückstellungen für Pensionen und die Tagebau-Rekultivierung ab. Übernimmt der Käufer die Rückstellung, drückt das den Preis, er muss dann aber neue Rückstellungen bilden. Das Gesamtpaket zählt, hieß es bei Vattenfall.

Zudem ist Vattenfall wirtschaftlich angeschlagen. Zwar wird erst kommenden Mittwoch die Konzernbilanz in Stockholm vorgelegt, doch schon jetzt steht fest, dass Vattenfall Wertberichtigungen in dreistelliger Millionenhöhe vornehmen wird, wie ein Sprecher bestätigte. Das liegt nicht nur am niedrigen Strompreis. Vattenfall hat in der Lausitz für den Verkauf gespart – an Investitionen in die Anlagen.

Keine Überraschung

Die Grünen in Brandenburg und Sachsen sind von den Aussage der Analysten nicht überrascht. Die Grünen-Energieexpertin im Landtag, Heide Schinowsky. sagte: „Wenn sich innerhalb eines Jahres die Wertvorstellungen für Vattenfalls Braunkohlesparte um neun Zehntel reduziert haben, ist das Geschäftsmodell schon jetzt hochgradig instabil.“ Die klimapolitischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen würden sich weiter dynamisch ändern – und nicht zu Gunsten der Kohle. „Jedem Investor muss klar sein, dass er hier enorme wirtschaftliche Risiken eingeht." Den Landesregierungen in Potsdam und Dresden müsse klar sein, der von ihnen favorisierte Verkauf das Braunkohle-Revier „derselben Unberechenbarkeit aussetzten“. Der sächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Gerd Lippold sagte: „bei Bergbaufolgekosten von rund zwei Milliarden Euro in der Lausitz laufe es für Vattenfall ,effektiv auf einen negativen Kaufpreis hinaus’“. Die beiden Parlamentarier erklärten, nötig sei nun ein nationaler Kohlekonsens, bei dem Vattenfall in der Lausitz bleibe und dort den Kohleausstieg selbst vollziehe und den Strukturwandel begleite. 

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