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Verfassungsschutz in Brandenburg: „Besondere personelle Herausforderungen“

Brandenburgs Verfassungsschutz kann aus Mangel an Mitarbeitern selbst nicht mehr alle Vorträge und Info-Veranstaltungen abdecken. Auch eine "umfangreiche Aufklärung im nicht gewaltbereiten Extremismus" könne man derzeit nicht leisten.

Potsdam - Ein bevorstehender Wechsel an der Spitze der Verfassungsschutzabteilung im brandenburgischen Innenministerium, aber noch kein Nachfolger für den scheidenden Chef Carlo Weber in Sicht. Dazu veraltete und eingeschränkte Kompetenzen, aber wachsende Gefahren durch Islamismus sowie Rechts- und Linksextremismus. Obendrein wird der Personalmangel immer akuter. Selbst bei Vorzeigeprojekten wie der Öffentlichkeitsarbeit, also klassischer Prävention, die Brandenburgs Verfassungsschutz bundesweit Lorbeeren eingebracht hat, schlägt die angespannte Lage nun durch. Das räumte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) räumte am Mittwoch ein.

In einer Erklärung des Ministers heißt es, dass Brandenburgs Verfassungsschutz auch in diesem Jahr zahlreiche Vorträge zu extremistischen Phänomen, zu Wirtschaftsschutz und Spionageabwehr gehalten hat. Insgesamt hätten an den fast 100 Veranstaltungen mehr als 3600 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen. Seit 2008 habe es damit insgesamt 1064 derartige Veranstaltungen mit mehr als 39 000 Zuhörern gegeben, darunter Bürger, Feuerwehrangehörige, Justizbedienstete, Unternehmer, Polizisten, Soldaten, Gewerkschaftler, Sozialarbeiter, Auszubildende und Verwaltungsmitarbeiter.

Probleme beim Verfassungssuchtz Brandenburg: Weniger Aufklärung aus Mangel an Mitarbeitern

Es hätten in diesem Jahr aber weitaus mehr sein können. Doch das lässt der Personalmangel nicht zu – obwohl die Menschen „zu Recht seriöse und belastbare Informationen über die Gefahren, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung drohen“, erwarteten, wie Schröter sagte. Zwar gelte immer noch: „Der beste Schutz der Verfassung ist der informierte Bürger.“ Doch in Schröters Erklärung heißt es auch: „Aufgrund besonderer personeller Herausforderungen konnte im Jahr 2017 auch nicht mehr jeder Vortragswunsch erfüllt werden.“

Der Bedarf ist durchaus vorhanden. Die meisten Anfragen gab 2017 zum Thema „Reichsbürger“, die immer häufiger kommunale Verwaltungen, Behörden, Gerichte und auch Verantwortungsträger persönlich bedrohen und versuchen, mit kruden Endlos-Schreiben einzuschüchtern. Insgesamt 42 Vorträge – so viele wie noch nie – hielt der Verfassungsschutz zu Reichsbürgern im zu Ende gehenden Jahr ab. Hinzu kamen seit Sommer 2008 insgesamt 43 Tagesseminare für fast 1900 Teilnehmer – Polizisten, kommunale Entscheidungsträger und Sozialarbeiter. Zentrales Thema in diesem Jahr waren „extremistische Herausforderungen in Brandenburg im Zuge der Fluchtmigration“. Seit geraumer Zeit gibt es kaum noch Anfragen von Schulen. Verfassungsschutzchef Weber hatte dazu jüngst erklärt: „Durch Kampagnen aus dem linken Spektrum sind wir bundesweit derart desavouiert worden, dass wir keine Anfragen mehr erhalten.“

„Wir können keine umfassende Vorfeldaufklärung leisten“

Bei Vorlage seines Jahresberichts hatte der scheidende Abteilungsleiter die „weiterhin niedrigste Zahl von Verfassungsschützern seit knapp 20 Jahren“ beklagt. Es waren genau 87, hinzu kommen abgeordnete Polizisten. Womit der Nachrichtendienst auf 100 Mitarbeiter kommt. Laut Weber wären 125 bis 130 nötig. Der Verfassungsschutz sei arbeitsfähig, habe aber nicht die nötige Schlagkraft im Kampf gegen Extremismus, wie er jüngst der „MOZ“ sagte. Was dringend getan werden müsse, werde getan. „Aber im nicht gewaltbereiten Extremismus, egal welcher Couleur, können wir keine umfassende Vorfeldaufklärung leisten“, so Weber. Flächendeckend den Blick stärker auf Kreise zu richten, in denen sich etwas entwickeln könnte, sei nicht zu leisten.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat die mehrfach wiederholten Mahnungen zumindest erhört. Mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 soll es mehr Stellen geben. Aus Sicht der SPD liegt es nun am Koalitionspartner, die Linke steht dem Nachrichtendienst bekanntlich skeptisch gegenüber. Parallel verhandelt die Koalition 2018 neben dem Haushalt auch über die Novelle des veralteten Verfassungsschutzgesetzes. Was Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländern und des Bundes erlaubt ist, darf der hiesige Nachrichtendienst nicht – etwa bei der Überwachung von Wohnungen und Handys oder bei Auskünften von Banken und Fluggesellschaften. Es läuft nun auf einen Kompromiss hinaus – aus einem Stellenplus, ein paar mehr Befugnissen und mehr Kontrollrechten für den Landtag.

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