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Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde die brandenburgische Praxis von Justiz und Regierung für grundgesetzwidrig erklärt.

© dpa

Urteil über Abwasseranschlüsse aus DDR-Zeiten: Karlsruhe blamiert Brandenburg

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts korrigiert Brandenburgs Justiz, Regierung und Landtag: DDR-Altanschließer müssen nicht nachträglich zahlen. Was das für Brandenburg bedeuten könnte.

Karlsruhe - Paukenschlag–Urteil aus Karlsruhe für das Land Brandenburg: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Grundstücksbesitzer doch nicht rückwirkend für Abwasseranschlüsse aus DDR-Zeiten zur Kasse gebeten werden. Das hat das höchste Gericht Deutschlands am Donnerstag mitgeteilt und damit die brandenburgische Praxis von Justiz, Landesregierung und Landtag der letzten Jahre als grundgesetzwidrig erklärt.

Betroffen sind rund 100 000 Besitzer von Grundstücken, die bereits zu DDR-Zeiten an die Kanalisation angeschlossen waren. Konkret hob Karlsruhe ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) auf, nach dem DDR-Altanschließer selbst Jahrzehnte danach an den Kosten für in den 1990er-Jahren gebauten Klärwerken und Überlandleitungen beteiligt werden. Die Folgen des Urteils, das am Donnerstag ein Beben auslöste, sind unklar.

Oberverwaltungsgericht muss Verfahren neu aufrollen

„Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes ist eine neue Situation eingetreten“, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Beschluss und Begründung müssten „jetzt sehr sorgfältig geprüft und ausgewertet werden“. Für eine belastbare Einschätzung der rechtlichen und finanziellen Folgen sei es zu früh. Er wolle dem Landtag im Januar über mögliche Konsequenzen berichten.

Geklagt hatten zwei Grundstücksbesitzer aus Cottbus, einer Hochburg der Proteste. Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) ließ noch am Donnerstag die laufenden Verfahren anhalten. Das OVG muss nun das Altanschließer-Verfahren neu aufrollen. Das gekippte OVG-Urteil hatte in Brandenburg die damalige SPD-CDU-Koalition in Landesrecht umgesetzt, gegen Warnungen der damaligen Linke-Opposition, aber auch der Wohnungswirtschaft, Kommunen, Verbände und Freien Wähler, die infolge ihrer Proteste in den Landtag kamen. Seitdem wurden von Altanschließern im Schnitt 3500 Euro nachgefordert, im Einzelfall bis zu 20 000 Euro. Die Summe, die Altanschließer an Zweckverbände gezahlt haben oder zahlen sollen, war in einem Gutachten von 2009 für die Landesregierung auf 420 Millionen Euro taxiert worden.

Höhere Abwasserbeiträge in Brandenburg drohen

Nun drohen den Zweckverbänden finanzielle Mehrbelastungen, in der Folge aber auch noch höhere Abwasserbeiträge in Brandenburg. Der Landeswasserverbandstag schloss nötige „Gebührenanpassungen“ nicht aus. Der Verband der Grundstücksnutzer (VDGN) und der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) fordern, dass zu Unrecht erhobene Beitrage für die Anschlüsse für Trink- und Abwasser erstattet werden. Allein bei den Mitgliedsfirmen gehe es um 60 Millionen Euro, sagte BBU-Vorstand Maren Kern.

VDGN-Präsident Peter Ohm nannte das Urteil „eine schallende Ohrfeige für die SPD-geführten Landesregierungen der letzten eineinhalb Jahrzehnte, aber auch für die Rechtsprechung in Brandenburg“. Er forderte eine Entschuldigung der Landesregierung. Er verwies darauf, dass die Entscheidung nur jenen nütze, „deren Bescheide noch nicht bestandskräftig sind“. Für die Betroffenen müsse es auf freiwilliger Basis Wiedergutmachung geben. Der innenpolitische Sprecher der Linken im Landtag, Hans-Jürgen Scharfenberg, sagte, das Urteil sei eine Chance, „endlich abschließend Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen“.

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