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Urteil des Oberverwaltungsgerichts: Kita-Beiträge: Kommunales Versagen

In Brandenburg können womöglich zehntausende Familien damit rechnen, dass sie wegen rechtswidriger kommunaler Kita-Satzungen für einige Jahre rückwirkend Kita-Elternbeiträge zurückerstattet bekommen.

Potsdam - Auslöser ist ein aktuelles Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, das vorige Woche die Kita-Satzung in Rathenow (Havelland) gekippt hatte. Das Urteil ist übertragbar auf alle Kommunen, die ihre Kita-Satzungen auf das Kommunalabgabengesetz (KAG) gegründet haben, was unzulässig ist. Noch hat niemand einen Überblick, wie viele Kommunen das sind. Die Linke-Fraktion geht nach Worten ihres Vorsitzenden Ralf Christoffers allein von „tausend Klagen“ im Land aus. Wie bereits bei der Bodenreform-Affäre, den Altanschließern und dem Betrug der BER-Anwohner beim Schallschutz beendet damit erneut ein höchstrichterliches Urteil eine rechtswidrige brandenburgische Praxis. Allerdings liegen diesmal die Versäumnisse allein auf der Kommunalebene und deren Spitzenverbänden.

SPD, CDU, Linke und Grüne: Land nicht in der Pflicht

Im Landtag zeigten sich am Dienstag jedenfalls SPD, CDU, Linke und Grüne schon einmal einig, dass das Land nicht in der Pflicht ist, finanziell in die Bresche zu springen. Und die Blicke richten sich umso mehr auf den Städte- und Gemeindebund mit seinem scheidenden Geschäftsführer Karl Ludwig Böttcher, der Regierung und Parlament in den letzten Jahren bei Defiziten und Pannen auf Landesebene auf das Schärfste attackiert und sich jedwede Einmischungen in kommunale Angelegenheiten verbeten hatte. Hinzu kommt, dass das Problem seit Jahren bekannt ist – und dem OVG-Urteil diverse Urteile von Verwaltungsgerichten vorangingen. „Es gab mehrfach Hinweise des Bildungsministeriums. Sie sind auch dokumentiert“, sagte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff. „Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass das Kommunalabgabengesetz keine Erhebungsgrundlage für Kita-Gebühren ist.“ Zuständige Kommunalaufsicht seien die Landkreise.

Brandenburg ist ein Flickenteppich

In Brandenburg gibt es bei Kita-Gebühren, die in jeder Kommune anders sind, und zwar mit extremen Spannbreiten, einen Flickenteppich. Seit 2015 hatte auf Initiative des damaligen Bildungsministers Günter Baaske (SPD) eine Arbeitsgruppe aus Wohlfahrtsverbänden, Kommunen, Landtagsabgeordneten und Bildungsministerium (AG 17) nach Auswegen gesucht, etwa über eine Mustersatzung. Dieser Ansatz sei vom Städte - und Gemeindebund abgelehnt worden, sagte Grünen-Landtagsabgeordnete und Bildungsexpertin Marie Luise von Halem. Nach zweijähriger Tätigkeit hatte Awo-Landesgeschäftsführerin Anne Baaske (vorher Böttcher) im Namen der AG 17 am 28. November ein „Kompendium Kita-Beiträge“ mit Hinweisen für Kita-Satzungen vorgelegt.

Auch in dem 135-Seiten-Werk findet sich prominent der eineindeutig formulierte Standardhinweis, fettgedruckt: „Das KAG kommt nicht als Rechtsgrundlage für kommunale Elternbeitragssatzungen in Betracht“, und: „Nach den einschlägigen Entscheidungen verschiedener Verwaltungsgerichte handelt es sich bei den Elternbeiträgen gemäß §17 KitaG nicht um Benutzungsgebühren im abgabenrechtlichen Sinne, sondern um sozialrechtliche Abgaben eigener Art.“ In der Fußnote wird auf Verwaltungsgerichts-Urteile aus dem Jahr 2013 (!) verwiesen. Die Frage steht im Raum, warum Jahre danach Kommunen immer noch falsche Satzungen haben. „Ich denke, das Versäumnis liegt beim Städte- und Gemeindebund“, sagte von Halem. Es habe vom Städte- und Gemeindebund Empfehlungen gegeben, das KAG zu nutzen. „Es kann nicht sein, das für das OVG-Urtei nun das Land in Haftung genommen wird“, sagte von Halem. „Das Land hat damit nichts zu tun.“

Ist der Dschungel das eigentliche Problem?

Der Ausweg wird, das steht fest, kompliziert und teuer. Nun seien die Kommunen selbst gefordert, sich einen Überblick zu verschaffen und Lösungen zu suchen, sagte Bischoff. Das Land Brandenburg könne dabei „mit seiner Expertise Unterstützung“ anbieten. „Die Frage, dass dafür die Landeskasse geöffnet wird, kann ich mit Nein beantworten. So sehen es auch Grüne, Linke und die CDU. Den Vorschlag des Städte- und Gemeindebundes durch eine Gesetzesänderung das KAG als Grundlage für Kita-Satzungen nachträglich zu legalisieren, wies Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers zurück. „Das ist weder sozial noch politisch tragfähig.“ Auch der Idee von Freie-Wähler-Chef Peter Vida, die Satzungen einfach rückwirkend zu ändern, kann Christoffers nichts abgewinnen. „Da bin ich skeptisch.“ So etwas habe bei den Altanschließern auch nicht funktioniert. „Das Land ist nicht in der Pflicht“, sagte auch CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. Die CDU will eine Anfrage im Landtag stellen, wie die Landesregierung das Ausmaß einschätzt. Der Dschungel bei den Kita-Gebühren in Brandenburg sei das eigentliche Problem.

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