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Brandenburg: Unterstützerkreis der Neonazi-Zelle im Visier

Ermittler rechnen mit weiteren Verdächtigen. 16 Haftbefehle gegen Rechtsextremisten nicht vollstreckt

Potsdam - Nachdem die Polizei in Nauen eine Neonazi-Zelle ausgehoben hat, die für den Brandanschlag auf eine als Asylunterkunft und andere Taten verantwortlich sein soll, gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass weitaus mehr Rechtsextremisten bei der Terror-Truppe mitmachen und der Unterstützerkreis der Neonazi-Zelle weitaus größer ist.

Bislang gibt es fünf Verdächtige, gegen die etwa wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird. Kopf der Gruppe ist Maik Schneider, 29 Jahre alt, Stadtverordneter in Nauen und Kreistagsabgeordneter der NPD im Havelland. Zudem ist ein weiterer Verdächtiger NPD-Mitglied, auch die anderen sind als NPD-Sympathisanten bekannt. Schneider und Dennis W. sitzen in Untersuchungshaft. W. war mehrere Tage untergetaucht, bis die Fahnder ihn am Freitag in einer Wohnung aufspürten.

Die Bundesanwaltschaft nimmt vorerst jedoch noch keine Terrorermittlungen auf, schließt dies – wie berichtet – mit Blick auf neue Erkenntnisse aber auch nicht aus. Bislang wird der Neonazi-Zelle der Brandanschlag auf eine Sporthalle in Nauen im August 2015 vorgeworfen, die als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden sollte. Die Gruppierung soll zudem aus rassistischen Motiven das Auto eines Polen in Brand gesetzt, Parteibüros der Linken angegriffen und weitere rechte Straftaten verübt haben. Die Sicherheitsbehörden nehmen aber an, dass die Neonazi-Zelle für eine Reihe weiterer Attacken verantwortlich ist: Mehrere Anschläge auf ein Büro der Linkspartei, den Brandanschlag auf Lokalpolitiker der Linken sowie ein Drohbrief mit Aufruf und Anleitung zum Bombenbau gegen Flüchtlinge. Auch die Verbindungen deutschlandweit, aber besonders in der Hauptstadtregion, zu anderen Gruppen werden überprüft. Nach den Lehren aus dem NSU-Skandal soll unbedingt vermieden werden, dass ein neues Untergrund-Netzwerk von Neonazis unerkannt bleibt. Sollten sich im Lauf der Ermittlungen Anhaltspunkte für die Bildung einer terroristischen Vereinigung ergeben, werde das Verfahren an den Generalbundesanwalt übergeben, heißt es von der Staatsanwaltschaft Potsdam.

Allerdings sind durch die Ermittlungen im Fall Nauen durch eine Sonderkommission andere Fälle liegen geblieben, viele andere rechte Attacken konnten nicht aufgeklärt werden, beklagt der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Die Behörden schaffen es aber nicht einmal, rechtsextreme Straftäter hinter Gittern zu bringen. In Brandenburg sind derzeit sechzehn Haftbefehle im Zusammenhang mit rechtsextrem motivierter Kriminalität nicht vollstreckbar, die Verdächtigen sind nicht zu finden. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des CDU-Rechtsexperten Danny Eichelbaum hervor. „Ein Fahndungserfolg allein wie in Nauen reicht nicht aus, dafür ist die aktuelle Bedrohungslage durch zunehmende rechtsextreme Bestrebungen und ansteigende politische Gewalt im Land zu groß“, so Eichelbaum. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es nicht gelingt, Haftbefehle zu vollstrecken. „Im Kampf gegen den Extremismus sind deutliche und konsequente Antworten des Rechtsstaates erforderlich. Dazu gehört es, dass die per Haftbefehl gesuchten Straftäter endlich ins Gefängnis kommen.“

Am Wochenende gab es in Brandenburg mehrere rechte Angriffe. In Cottbus hat ein Unbekannter in der Nacht zu Sonntag einen 36-jähriger Mann aus Pakistan fremdenfeindlich beleidigt, geschlagen und getreten. Die Verletzungen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Ein 57-jähriger Angolaner, der helfen wollte, wurden ebenfalls attackiert. In der gleichen Nacht wurde auch eine Flüchtlingsunterkunft in Königs Wusterhausen angegriffen. Zwei Betrunkene versuchten zunächst in die Asylunterkunft zu gehen, wurden abgewiesen. Kurz darauf sind die 24 und 30 Jahre alten Männer vermummt zurückgekehrt und warfen ein Fenster mit einer Flasche ein. In einer Diskothek in Prenzlau wurden am frühen Sonntagmorgen fünf Asylbewerber beschimpft und anschließend vor dem Gebäude angegriffen. Drei der Männer wurden verletzt worden.

2015 gab es in Brandenburg viermal so viele Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte wie im Vorjahr. Der Staatsschutz registrierte 2015 insgesamt 141 derartige Attacken, gegenüber 36 im Jahr zuvor. Alexander Fröhlich

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