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Unterhaltsvorschuss: Vater Staat muss immer öfter zahlen

Die Zahl der Brandenburger Kinder, die Unterhaltsvorschuss bekommen, steigt nach einer Gesetzesnovelle. Gleichzeitig haben märkische Jugendämter immer größere Mühe, die Leistungen von den Eltern zurückzufordern. 

Potsdam - Brandenburgs Jugendämter müssen immer häufiger für säumige Eltern einspringen, die keinen Unterhalt für ihre von ihnen getrennt lebenden Kinder zahlen. Gleichzeitig gelingt es den Ämtern seltener, den Vorschuss auf Staatskosten von den säumigen Müttern und Vätern wieder einzutreiben, wie eine aktuelle Antwort des Jugendministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Steffen Königer (fraktionslos) zeigt. So lag die Rückgriffsquote, also der Anteil der Fälle, in denen der Staat den Vorschuss von den unterhaltspflichtigen Eltern wieder eingetrieben hat, Ende 2018 bei rund 11 Prozent. Zwei Jahre zuvor war die Quote mit 23 Prozent mehr als doppelt so hoch.

Inzwischen haben Kinder länger Anspruch auf die Leistung 

Das und die gleichzeitig deutlich gestiegen Ausgaben für Unterhaltsvorschuss haben auch mit einer Gesetzesnovelle zu tun: Seit 1. Juli 2017 wurde der Anspruch auf Unterhaltsvorschuss bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ausgeweitet und die Einschränkung der Bezugsdauer von 72 Monaten aufgehoben. Vorher waren Kinder Alleinerziehender nur bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres anspruchsberechtigt. Aus diesem Grund gibt es inzwischen deutlich mehr Kinder und Jugendliche, die der Steuerzahler anstatt des eigentlich dazu verpflichteten Elternteil unterstützt. Im Vorjahr bezogen in Brandenburg nach Angaben des Ministeriums Trennungskinder Unterhaltsvorschuss. 2016, vor der Reform, waren es nur 17427. Entsprechend sind auch die Ausgaben gestiegen: von 34,6 auf gut 89 Millionen innerhalb von zwei Jahren – während die Einnahmen durch Eintreiben des Geldes bei den Eltern nicht in dem Maße gestiegen sind. 2016 holten die Ämter 7,9 Millionen Euro zurück, 2018 waren es 9,8 Millionen. 

Rückgriffsquoten regional sehr unterschiedlich 

Regional sind die Rückgriffsquoten sehr unterschiedlich. Absolutes Schlusslicht ist die Stadt Frankfurt (Oder). Dort gelang der Rückgriff in nur 4,5 Prozent der Fälle. Der Landkreis Elbe-Elster hingegen weist mit 21,5 Prozent die landesweit höchste Rückgriffsquote auf. Das Land will die Landkreise bei der Erhöhung der Rückgriffsquoten unterstützen, etwa durch gezielte Fortbildung der Jugendamtsmitarbeiter. Im Doppelhaushalt 2019/20 sind dafür pro Jahr 600000 Euro eingeplant. Aber wie lassen sich die teils deutlichen Erfolgsunterschiede beim Geldeintreiben erklären? 

Jugendämter brauchen mehr Personal 

Verschiedene Faktoren spielten eine Rolle, sagt Frankfurts Pressereferentin Kora Kutschbach. „Es war vorauszusehen, dass mit der Gesetzesänderung die Rückgriffquote nicht steigt“, sagt sie. Tatsächlich war sie in Frankfurt (Oder) schon immer verhältnismäßig niedrig. Es sei unwahrscheinlich, dass Geld von Vätern oder Müttern geholt werden kann, bei denen das bereits vor der Gesetzesnovelle nicht gelungen ist – etwa aufgrund deren finanzieller Situation. Die Kinder dieser Eltern haben nun aber länger Anspruch auf staatliche Ersatzleistungen. Im Zuge der mit Mehrarbeit verbundenen Reform sei das zuständige Personal im Jugendamt um eine Stelle auf vier Mitarbeiterinnen aufgestockt worden, sagt Kutschbach. 

Elbe-Elster ist erfolgreich 

„Wir hatten durch vorausschauende Planung einen sehr guten Start“, sagt Rainer Pilz, Jugendamtsleiter des Landkreises Elbe-Elster, über die erste Zeit nach der Reform mit einer wahren Antragsflut. Acht Mitarbeiter sind beim Kreis mit dem Unterhaltsvorschuss befasst. Praktiziert werde das Prinzip der „Leistung aus einer Hand“, das heißt der Sachbearbeiter, der die Leistung bewilligt, kümmert sich auch um den Rückgriff. „Die unmittelbare Ansprache des Unterhaltsschuldners und kontinuierliche Arbeit mit dem Unterhaltsschuldner sehen wir hier als Vorteil“, erklärt Pilz. Aber auch eine gute Zusammenarbeit mit Gerichten und Gerichtsvollziehern sei wichtig. 

In Potsdam haben sich die Fallzahlen verdoppelt 

Seit der Reform hätten sich die Fallzahlen mehr als verdoppelt, sagt der Sprecher der Stadt Potsdam, Jan Brunzlow. „Da dieser Anstieg der Fallzahlen nicht sukzessiv, sondern fortlaufend erfolgte, musste zunächst prioritär die Antragsflut bearbeitet werden“, erklärt er. Die Landeshauptstadt liegt bei der Rückgriffsquote nach Ministeriumsangaben bei 8,2 Prozent, unter dem Landesschnitt und deutlich unter der Quote von Potsdam-Mittelmark (19,2 Prozent). Vorrangiges Ziel der Stadt sei es laut Brunzlow gewesen, Alleinerziehende zeitnah zu unterstützen und die Anträge zügig zu bearbeiten. „Der Schwerpunkt lag tatsächlich nicht beim Rückgriff, da nicht hinreichend Personal zur Verfügung stand.“ Allerdings sei die Rückzahlungsquote nur bedingt vom personellen Einsatz abhängig. „Wir haben in den vergangenen Jahren getestet, inwiefern sich organisatorische Änderungen am Ende des Jahres auf die Rückzahlungsquote auswirken“, erläutert er. So seien Mitarbeiter speziell eingesetzt worden, um den Unterhaltsvorschuss wieder einzutreiben. Das habe jedoch zu keiner steten Verbesserung geführt. Das spreche dafür, dass die Quote von der Zahlungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils abhänge, sagt Brunzlow. „Und davon, ob seitens der Mutter überhaupt ein Vater angegeben wird.“

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