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Brandenburg: „Uns droht unermesslicher Verlust“

Geplante Stiftung für Denkmalpflege und Archäologie könnte helfen. Landesarchäologe Franz Schopper über eine neue Vortragsreihe zu Grabungen in Brandenburg, Germanen in Potsdam und finanzielle Sorgen

Herr Professor Schopper, mit der Vortragsreihe „Archäologie im Land Brandenburg“ will das Archäologische Landesmuseum Brandenburg einen Überblick über die Ergebnisse von Grabungen im Land vermitteln. Thema des ersten Vortrages am heutigen Mittwoch sind Funde germanischer Siedlungsspuren in Berlin und Brandenburg. Wie dicht war die Region während der römischen Kaiserzeit, also zwischen dem ersten und dem fünften Jahrhundert, bewohnt, welche Stämme haben hier gelebt?

Durch die umfänglichen archäologischen Forschungen im Land wissen wir, dass Brandenburg gerade in dieser Zeit sehr dicht besiedelt war. Wir kennen die Gehöftstrukturen sowie technischen Anlagen wie Kalkbrennöfen und Eisenverhüttungsplätze ebenso wie Friedhöfe. Sehr viel schwerer tun wir uns mit Volks- oder Stammesnamen. Die räumlich entfernten und zeitlich weit streuende römische Überlieferung ist sehr dünn und weist große Lücken auf. Anders als zu völkisch-nationalistischen Zeiten im 19. bis Mitte des 20. Jahrhundert verwenden wir Archäologen Stammesbegriffe bestenfalls sehr vorsichtig. Selbst eine grobe Abgrenzung zwischen Elbgermanen und Ostgermanen ist am archäologischen Material nicht wirklich möglich. Stammes- oder gar Nationenbildung ist ein komplexer Vorgang.

Erst vor Kurzem wurde unter anderem eine vergleichsweise große Siedlung im Nuthewinkel in Potsdam entdeckt. Aber auch an anderen Stellen der Stadt wie der Rückertstraße in Potsdam Nord wurden Spuren entdeckt. War der Raum Potsdam möglicherweise ein Siedlungsschwerpunkt?

Die Havelregion mit Potsdam war in allen vorgeschichtlichen Siedlungsperioden ein zentraler Raum im Westen unseres Landes. Das aktuelle Fundaufkommen resultiert aber in erster Linie aus der boomenden Baubranche im Umfeld der Landeshauptstadt. Wo Erde umgegraben wird, sind archäologische Quellen in Gefahr und die archäologische Denkmalpflege muss zu Rettungsgrabungen greifen.

Im Nuthewinkel wurden auch mehrere Objekte römischen Ursprungs entdeckt, darunter Münzen und ein bronzener Jochaufsatz, der vermutlich zu einem römischen Transportwagen gehört hat. Sind solche Funde weitab vom römischen Herrschaftsgebiet nicht ungewöhnlich?

Über die Hinweise auf Kontakte und Kultureinflüsse zwischen unseren brandenburgischen Germanen und den römischen Provinzen freue ich mich natürlich ganz besonders. Solche Funde sind wichtig zum Verständnis der Verhältnisse. Gerade Kleinobjekte tauchen hier zwar an verschiedenen Stellen auf, bleiben aber doch seltene Raritäten, denen ein besonderes Forschungsinteresse gilt. Gerade auf der Jahreskonferenz der Landesarchäologie wurde diskutiert, ob das von Ihnen angesprochene Bronzeobjekt zu einem Pferdegeschirr gehört oder gar zu einer römischen Schnellwaage.

Während der Völkerwanderung haben viele germanische Stämme ihre Siedlungsplätze verlassen. Wann sind die bei uns ansässigen Stämme weggezogen und in welche Richtung? Gab es Überschneidungen mit den Slawen?

Im Laufe des 4. Jahrhunderts nach Christus nimmt die Siedlungsdichte in Brandenburg sehr stark ab und ab Mitte des 6. Jahrhunderts, also etwa um 550, ist im archäologischen Fundniederschlag keine Besiedlung mehr nachzuweisen. Die slawische Besiedlung beginnt dann erst rund 150 Jahre später um 700. Das heißt, wegziehende Germanen und slawische Neusiedler sind sich nie begegnet.

Spektakuläre Funde wie das Joch oder die Münzen werden in der Regel im Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster in Brandenburg/Havel ausgestellt. Seit 2004 sind Sie Direktor des Hauses und haben die Eröffnung des Museums im eigens umgebauten Kloster 2008 maßgeblich vorbereitet. Wie sind Sie mit der Resonanz zufrieden, wie haben sich die Besucherzahlen entwickelt?

Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg ist das Schaufenster für 130 000 Jahre Kulturgeschichte. Neben archäologischen Funden ist das herausragende Baudenkmal unser größtes Ausstellungsstück. Der neue Ausstellungsort musste erst ins Bewusstsein gebracht werden, er wird mittlerweile gut angenommen. Seitdem die Bahnstrecke in Berlin saniert ist, sind wir auch von dort in weniger als 45 Minuten sehr gut erreichbar. Die Potsdamer sind mit dem Zug in 20 Minuten in Brandenburg. Wichtig ist unser breites Angebotsspektrum für jung und alt.

Seit Längerem wird um eine bessere finanzielle Ausstattung der Denkmalpflege in Brandenburg gerungen. Nicht selten fehlt es selbst an kleinsten Beträgen, um ein vom Einsturz bedrohtes Denkmal zu sichern. Ist die Landesarchäologie besser aufgestellt, können Sie sich wichtige Aufgaben nicht leisten?

Der Landesarchäologie geht es nicht anders als der Bau- und Kunstdenkmalpflege. Es fehlt an Geld und, was ebenso wichtig ist, an Personal. Kulturarbeit braucht engagierte Frauen und Männer, die von ihrer Arbeit leben können. Um notleidende Denkmale in unseren Äckern und Wäldern können wir uns fast gar nicht kümmern. Hier droht uns unermesslicher Verlust. Mit der geplanten Stiftung für Denkmalpflege und Archäologie hoffen wir auch Lösungsansätze zu finden. Das Archäologische Landesmuseum Brandenburg erbringt im Vergleich mit anderen archäologischen Landesmuseen mit einer Minimalausstattung Höchstleistungen. Mit Wanderausstellungen unterstützt es die museale Kulturarbeit im Land und wirkt auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Kulturelle Bildung, regionale Identitätsstiftung, kulturtouristische Strahlkraft: All das können Denkmalpflege und Archäologie leisten.

Die Vortragsreihe „Archäologie im Land Brandenburg“ ist kostenlos und läuft jeden ersten Mittwoch im Monat. Von Mai bis August ist Sommerpause. Wie viele Vorträge sind derzeit bereits geplant, um welche Themen und Epochen wird es noch gehen?

Wir starten heute mit den römischen Importen und fahren am 2. April fort mit den Forschungen zur eisenzeitlichen Befestigung und zum Kultplatz in Lossow bei Frankfurt (Oder). Das Herbstprogramm wir im Einzelnen noch abgestimmt. Man kann sich aber schon auf Beiträge zu neuen Münzschätzen, zum mittelalterlichen Dorf unter dem Berliner Flughafen und zum herausragenden bronzezeitlichen Königsgrab von Seddin in der Prignitz freuen.

Das Interview führte Matthias Matern

Vortrag: Aktuelle archäologische Ergebnisse zu römischen Importen in germanischen Siedlungen im Raum Berlin-Brandenburg. Beginn: 18.30 Uhr. Ort: Archäologisches Landesmuseum, Neustädtische Heidestraße 28, 14776 Brandenburg/Havel

Franz Schopper (49) ist seit Juli 2012

Direktor des

Brandenburgischen Landesamtes

für Denkmalpflege und des Archäologischen Landesmuseums.

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