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Unfallbilanz für Brandenburg: Autobahnen und Alleen sind gefährlich

Brandenburgs Unfallbilanz hat sich im vergangenen Jahr verschlechtert. Die Opposition fordert Investitionen in die Infrastruktur des Landes.

Potsdam - Erst vor einer Woche war die A10 bei Michendorf wieder Schauplatz eines Lkw-Unfalls. Ein Laster war zwischen den Anschlussstellen Michendorf und Nuthetal in einer Baustelle gegen die Mittelleitplanke gefahren. Für die Bergung des Fahrzeugs musste die Autobahn zeitweise voll gesperrt werden, lange Staus waren die Folge. Verletzt wurde bei diesem Unfall glücklicherweise niemand.

Immer wieder Michendorf. Die Dauerbaustelle auf der A 10 ist der Unfallschwerpunkt schlechthin auf Brandenburgs Autobahnen, 1276 Unfälle registrierte die Polizei dort im Vorjahr. Das schlägt sich auf die insgesamt schlechte Verkehrsunfallbilanz nieder, die Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Montag in Potsdam vorstellte. Knapp 85400 Mal krachte es im Vorjahr in Brandenburg – ein Zuwachs von 3,3 Prozent. 23 Verkehrstote, das sind knapp 16 Prozent aller tödlich Verunglückten, wurden auf Autobahnen gezählt. Schröter will unter anderem mit stärkeren Kontrollen gegensteuern. Die gab es auch schon im Vorjahr – offenbar nicht mit nachhaltiger Wirkung auf die Fahrer. Mehr als 28100 Lastwagen wurden im Vorjahr überprüft, insgesamt fast 24 200 Verstöße festgestellt. Technische Mängel, nicht eingehaltene Ruhezeiten, ungenügend gesicherte Ladung, Überladung – die Liste der Beanstandungen ist lang.

Drogen hinterm Steuer, rasende Laster: Genügen die Kontrollen der Polizei?

Hinzu kommen mehr als 3200 Geschwindigkeitsüberschreitungen allein im Güterverkehr, 56 kontrollierte Fahrer mit schwerer Fracht waren alkoholisiert oder unter Drogeneinfluss unterwegs. Aus Sicht der verkehrspolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, Anita Tack, reichen Kontrollen durch die Landespolizei allein nicht aus. Auch die Bundesregierung sei gefragt, um Brandenburgs Straßen sicherer zu machen. „Das Brandenburger Verkehrsgeschehen zeigt einmal mehr, dass eine Verlagerung des motorisieren Verkehrs, insbesondere des Güterverkehrs, auf die Schiene überfällig ist“, so Tack. Deshalb müssten endlich konkrete und nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden: „Weg von der Straße – hin auf die Schiene“, fordert Tack. Zudem sei die Fahrzeugindustrie in der Pflicht, die Laster standardmäßig so auszurüsten, dass es im Fahrersichtfeld mehr Sicherheit gebe.

Mehr Sicherheit auf Alleestraßen, den grünen Markenzeichen der Mark, ist eine weitere Aufgabe für die Brandenburger Verkehrsplaner. Denn die baumbestandenen Straßen sind immer noch oft Schauplatz für tödliche Unfälle. 51 Menschen starben im Vorjahr bei sogenannten Baumunfällen. 148 Verkehrstote hat Brandenburg insgesamt zu beklagen – und damit die rote Laterne in Sachen Verkehrssicherheit zurückerlangt.

„Der vergleichsweise sprunghafte Anstieg an Verkehrstoten ist eine äußerst traurige Entwicklung. Nirgendwo in Deutschland war im vergangenen Jahr die Gefahr größer, im Straßenverkehr zu sterben, als in Brandenburg. Das darf niemanden kalt lassen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Rainer Genilke. Doch wie ist dieser Anstieg zu erklären, nachdem 2016 schon von einer Trendwende die Rede war? 2016 ging die Opferzahl deutlich zurück. Nie zuvor seit 1990 starben weniger Menschen auf märkischen Straßen. 1991 waren es 931.

„Positiver Ausreißer in der Statistik"

Dann besserten sich die Zahlen, wohl auch durch sichere Autos, deutlich. Verunglückten 2015 noch 179 Menschen tödlich in Brandenburgs Straßenverkehr, waren es 2016 insgesamt 121. Ein Rückgang um gut 32 Prozent. Ein „positiver Ausreißer in der Statistik“, sagt Innenminister Schröter nun. Mögliche Gründe dafür, warum die Zahl der tödlichen Unfälle jetzt wieder nach oben geschnellt ist, gibt es mehrere: Auch die Zahl der Autozulassungen ist gestiegen. Baustellen wie die erwähnte in Michendorf kommen hinzu und die Unvernunft vieler Fahrer, die sich auch durch Präventionsprogramme – etwa für junge Fahrer – offenbar nicht nachhaltig bessern lässt. „Fehleinschätzungen, Leichtsinn und Übermut“ seien Auslöser vieler Unfälle, so Schröter.

CDU-Verkehrsexperte Genilke sieht aber auch das Land in der Pflicht. Am selbstgesteckten Ziel von weniger als 100 Verkehrstoten sei die Landesregierung klar gescheitert. Dabei seien gerade Alkohol am Steuer und Raserei Kontrolldelikte. „Tempo 70 Schilder reichen nicht, um Raserei zu unterbinden, und Blitzer erkennen nicht, welcher Fahrer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht“, sagt Genilke. Für eine spürbare Besserung der Situation auf Brandenburgs Straßen seien mehr echte Kontrollen in Verbindung mit einer zügigen Sanktionierung von Verstößen nötig. Wie das angesichts der ausgedünnten Personaldecke bei der Polizei gelingen soll, lasse der Innenminister offen. Zudem brauche es mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und eine intensivere Präventionsarbeit. Das Land müsse deutlich mehr Leitplanken installieren und gefährliche Kurven entschärfen. Auch bei der Verkehrserziehung habe Brandenburg viel Luft nach oben. „In der Verkehrsprävention des Landes sind sehr viele Stellen momentan gar nicht besetzt, da steht die Landesregierung in der Pflicht“, so Genilke.

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