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Brandenburg: Und Woidke?

Rot-roter Krach um Asylvorstoß des Innenministers. CDU und AfD dafür, Linke und Grüne dagegen

Potsdam - Der Vorstoß von Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Kommunen, künftig Asylbewerber bis zu zwei Jahre in den zentralen Erstaufnahmeheimen des Landes vor einer Verteilung auf die Kreise unterzubringen, belastet Brandenburgs rot-rote Regierungskoalition. Und zwar so sehr, dass sich Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) öffentlich bedeckt hält, sich zur Forderung auf Anfrage am Dienstag nicht äußern wollte, obwohl er sie nach PNN-Recherchen für sinnvoll hält. Auch in der internen Sitzung der SPD-Landtagsfraktion am Dienstag machte Woidke nach Teilnehmerangaben daraus keinen Hehl.

„Dieser Vorschlag nützt nur der AfD“, sagte dagegen Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers. „Für einen Vorschlag 24 Monate Erstaufnahme wird es mit uns keine Mehrheit geben.“ Er halte zwei Jahre „schlicht und ergreifend für zu lang“. Und: „Eine zweijährige Unterbringung in der Erstaufnahme wäre Behördenversagen.“ Christoffers erwartet, dass das Problem im Koalitionsausschuss von SPD und Linken – dem Krisengremium für Konflikte – eine Rolle spielen wird. Die Linken haben die Hebel, den Plan zu bremsen oder zu blockieren: Zuständig für eine Änderung des Landesaufnahmegesetzes, die für eine längere Verweildauer erfolgen müsste, wäre das Sozialministerium unter Führung von Linke-Ministerin Diana Golze. SPD-Fraktionschef Mike Bischoff versuchte, den Konflikt herunterzuspielen, sprach sich aber zugleich für eine Klärung bis Jahresende aus, wie Brandenburg das neue Bundesgesetz umsetzen wird. Damit ist ein Termin im Raum.

Bislang werden Asylbewerber in Brandenburg nach sechs Monaten in der Erstaufnahme – unabhängig vom Stand des Asylverfahrens – auf die Kreise und Kommunen im Land verteilt. Dies führt immer wieder auch dazu, dass dort Integrationsmaßnahmen beginnen, Kinder in die Schule gehen – und dann nach Abschiebebescheiden die Betroffenen wieder herausgerissen werden. So hatten auch Schröter und die Präsidenten von Städte- und Gemeindebund und Landkreistag, Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs und Mittelmark-Landrat Wolfgang Blasig (alle SPD) die Forderung begründet, nur Asylbewerber mit klarer Bleibeperspektive auf die Kommunen zu verteilen. Ähnlich äußerte sich Woidke, früher selbst Innenminister, dem Vernehmen nach auch in der SPD-Landtagsfraktion: Er habe schon früher deutlich gemacht, so Woidke nach Teilnehmerangaben, dass vor Krieg und Elend Geflüchtete möglichst so lange in der Erstaufnahme bleiben sollten, bis ihr Status geklärt und absehbar sei, dass sie zumindest zeitweise in Deutschland bleiben können. Das sei auch besser für die Planung und Integrationsarbeit in den Kommunen, die schließlich die Hauptlast zu tragen hätten.

Im Landtag, der nächste Woche tagt, ist der Konflikt in jeder Hinsicht ein Politikum – wegen der brisanten Konstellation. Am Dienstag forderte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben, aber auch die AfD-Fraktion, die Unterbringung in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt und deren Außenstellen auf 24 Monate zu verlängern, was der Bund mit einer Gesetzesnovelle im Sommer den Ländern ermöglicht hat. Das rot-rot regierte Brandenburg hatte sich nach einem Veto der Linken im Bundesrat bei der Abstimmung dazu enthalten. „Wir begrüßen den Vorschlag des Innenministers“, sagte Senftleben. „Es muss erst die Asylentscheidung geben, dann die Verteilung auf die Kommunen.“ Wegen des rot-roten Konfliktes kündigte er eine mündliche Anfrage für die kommende Landtagssitzung an, wie denn nun die Position der Landesregierung sei.

Scharfe Kritik an dem Vorstoß von Schröter und SPD-Verantwortungsträgern in Kommunen kurz vor der Bundestagswahl übte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. „Wir sind ziemlich entsetzt“, sagte er. „Wir halten es für unzumutbar, Flüchtlinge zwei Jahre in der Erstaufnahme kasernieren zu wollen.“ Das sei eine Position, „die man bei CSU oder AfD verorten würde“. Schon sechs Monate Aufenthalt in der Erstaufnahme seien „grenzwertig“. Vogel verwies darauf, dass Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und die anschließenden Verfahren vor den Verwaltungsgerichten zwei, drei Jahre dauerten. „Damit würde die Verweildauer von zwei Jahren in der Erstaufnahme der Regelfall sein“, so Vogel. Und selbst bei abgelehnten Asylanträgen sei eine Abschiebung nicht zwingend, gebe es aufschiebende Gründe. Vor diesem Hintergrund sei es „humanitäre Position“ der Grünen, Menschen so schnell wie möglich auf die Kommunen zu verteilen und mit der Integration zu beginnen, die sonst erst nach zwei Jahren starte.

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