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Die Gedanken sind frei. Und der Glaube auch, sagt Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus in Piraten-Gebetstracht. Seine Gaga-Religion kämpft für Religionsfreiheit.

© www.pastafari.eu

Brandenburg: Und damit Pasta!

In Templin ist ein Streit zwischen Kirchen und der Satirereligion des Spaghettimonsters entstanden. Die lädt offensiv zur „Nudelmesse“. Rüdiger Weida soll die Schilder wieder abschrauben, will aber nicht

Templin - Da gehören auf dem platten Brandenburger Land so wenige Menschen wie sonst selten einer Religionsgemeinschaft an, und dann das: In der tiefsten Uckermark hat sich jetzt ein Streit zwischen den christlichen Kirchen und den Glaubensbrüdern der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters e.V.“ entzündet. Anlass sind die Hinweisschilder auf die „Nudelmesse“ – immer freitags um 10 Uhr –, die Aktivist Rüdiger Weida unter das Hinweisschild auf die katholische Messe, den freikirchlichen und den evangelischen Gottesdienst an den Ortseingängen anbrachte.

Da versteht die evangelische Kirche aber keinen Spaß mehr: Pfarrer Ralf-Günther Schein kündigte am Sonntag an, das Nudelmessenschild vom Mast, den die Kirche für sich beanspruche, wieder abzuschrauben. Damit wäre es dann aber im Gegenzug für die Anhänger der kirchenfundamentalismuskritischen Satire-Religion mit der Nächstenliebe vorbei: „Dann gibt es eine Anzeige“, sagt der 63-jährige pensionierte Mitarbeiter in der freien Jugendarbeit, Rüdiger Weida, alias Bruder Spaghettus.

Das Fliegende Spaghettimonster (englisch Flying Spaghetti Monster, kurz: FSM) wurde im Juni 2005 vom amerikanischen Physiker Bobby Henderson als Gottheit erdacht. Die weltweit laut dem Brandenburger Rüdiger Weida rund 30 Millionen Anhänger der Pastafari-Religion (nach dem jamaikanischen „Rastafari“) stellen ihre Glaubenslehre gegen den sogenannten Kreationismus: In den USA protestierten Kirchenfundamentalisten auf diese Weise dagegen, dass die Schöpfungsgeschichte der Bibel gleichberechtigt mit der Evolutionstheorie im Fach Biologie an den Schulen unterrichtet wird. Das ist der ernste Hintergrund der weltanschaulichen Gaga-Religion, die auch in Deutschland rund 3500 Anhänger auf Facebook im Internet und rund 130 aktive Anhänger deutschlandweit zählt. In Templin wird das fliegende Spaghettimonster, das auf dem Schild die weit verbreitete Darstellungsweise des eucharistischen Fischs mit Nudeln und Fleischklöpsen nachahmt, jeweils am Freitag um 10 Uhr mit dem Gottesdienst in einem umgebauten Haus auf Rüdiger Weidas Grundstück angebetet. Unterm Altar steht ein Kasten Bier, „denn im Himmel warten ein Biervulkan und eine Manufaktur von Strippern oder Stripperinnen auf die Glaubensbrüder, je nach Gustus“, sagt Bruder Spaghettus.

Er selbst hatte sich noch zu DDR-Zeiten öfter in Kirchen begeben, aber nur, um sich dort bei engagierten Pfarrern für mehr Demokratie und Gedankenfreiheit im Widerstand einzusetzen. Dann war die Stasi hinter ihm her, und Weida fiel der DDR gegenüber vom Glauben ab.

Dann im neuen Deutschland, schon 2006, fand er Gefallen an der satirischen Bewegung für Glaubensfreiheit. Die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters gründete er erst als Verein, dann als gemeinnützige Körperschaft, und alle kleiden sich gern wie die Piraten. Das „Monsterunser“ und die acht „Am liebsten wäre mirs...“ seiner Weltanschauungsgemeinschaft seien den zehn Geboten „deutlich überlegen“, sagt Weida. „Wir haben die Verpflichtung zum ständigen Zweifel.“

Ohne Zweifel, so sieht es Weida, ist er aber im Recht bei der Anbringung der Nudelessen-Schilder. Da habe er die Genehmigung. Die habe ihm das für Straßenschilder zuständige Amt, die Straßenmeisterei, erteilt. Er habe auch die Durchführungsbestimmungen berücksichtigt. Diese besage auch, dass die Schilder möglichst nicht zu einem Schilderwald führen und daher zusammenhängen sollen.

Pressesprecher Stefan Förner vom Erzbistum Berlin weiß, dass sich Katholiken in Templin nun verletzt fühlten und das Auftreten der Pastafaris als zu offensiv empfunden werde. Der aus Berlin stammende Templiner Pastor Kantor Helge Pfläging sagt aber lächelnd: „So schnell schockt uns hier nichts.“ Man solle mehr und miteinander reden.

Und auch Pfarrer Ralf-Günther Schein zeigt sich zuerst als Spaßversteher. „Wir wollen den Spaghettimonster-Anhängern für das Geläut Dreiglockennudeln schenken und Bio-Spaghetti, das macht sich gekocht gut als Lametta.“ Das mit dem Mast sieht Schein aber anders, der gehöre seit zehn Jahren zu den Kirchen, man hätte alles bezahlt. Rüdiger Weidas Angebot der Mitfinanzierung wurde dem Pastafari zufolge aber ausgeschlagen.

Da sich Weidas Nudelmessenschild „vor einem Italiener“ besser mache, so Schein, werde man es, wenn es nicht entfernt werde, eigenhändig abschrauben, so wie der Mann es zuvor anschraubte. „Und damit Pasta.“ Da es in Brandenburg keine Fundamentalisten wie in den USA gebe, sei Weidas Einsatz ohnehin „ein Kampf gegen Windmühlenflügel“.

Annette Kögel

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