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Innenminister Karl-Heinz Schröter

© dpa

Umstrittene Kreisgebietsreform in Brandenburg: Die bittere Wahrheit über Frankfurt (Oder)

Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter hält seiner Geburtsstadt Frankfurt (Oder) beim Kreisreform-Dialog fehlende Attraktivität vor. Dafür erntet er aber nicht nur Kritik.

Frankfurt (Oder)/Potsdam - Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) ist keiner, der gern ein Blatt vor den Mund nimmt. Er nennt die Dinge gern beim Namen. Im politischen Potsdam musste sich der Ex-Landrat schon so manches Mal auf die Zunge beißen. Aber er kann trefflich und nüchtern über Zahlen und Fakten sprechen, er ist Ingenieur, er mag Zahlen, sie sind klar und deutlich. Und über Zahlen spricht der Innenmininister derzeit häufig im ganzen Land, bei der Dialogtour zur Kreisgebietsreform, dem größten Reformprojekt der Landesregierung für die kommenden Jahre. Statt bisher 14 Landkreise und vier kreisfreie Städte soll es künftig nur noch zehn Landkreise geben. Das Land soll zukunftsfest gemacht werden, Verwaltung auch bei drastisch sinkenden Einwohnerzahlen und weniger Finanzen möglich sein.

„Karl-Heinz, du bist zwar in Frankfurt geboren, aber dein Herz schlägt nicht für diese Stadt.“

Besonders störisch sind die kreisfreien Städte. Potsdam nicht, in der Landeshauptstadt hat die Kommunalpolitik bisher nicht zu befürchten, dem ländlichen Umland einverleibt zu werden. Wohl aber Brandenburg/Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) werden ihre Kreisfreiheit verlieren – wegen der Schulden, der sinkenden Einwohnerzahlen und einfach, weil sie zu klein geworden sind.

In Brandenburg/Havel hat er beim Auftakt der Dialogtour schon erlebt: Pfeifkonzerte und Plakate mit Herzen, darauf der Spruch: „Mein Herz schlägt kreisfrei für“ Frankfurt (Oder) oder Brandenburg/Havel. Am Dienstagabend war nun Frankfurt (Oder) dran, ausgerechnet Schröters Geburtstadt und Universitätsstadt an der deutsch-polnischen Grenze. Glaubt man den Berichten über diesen Abend, sagte Oberbürgermeister Martin Wilke am Ende: „Karl-Heinz, du bist zwar in Frankfurt geboren, aber dein Herz schlägt nicht für diese Stadt.“

Frankfurt sei nicht so attraktiv

Was war geschehen? Schröter debattierte wohl munter wie immer über Kreisfreiheit. Dann sei es zu einem Eklat im Kleist-Forum gekommen, berichtet die „MOZ“, Zitat; „Schröter sagte, dass jeder Flüchtling, der seinen Asylstatus erhalten habe, dann dort hingehen könne, wohin er will. Er glaube nicht, dass sich viele von ihnen für eine nicht so attraktive Stadt wie Frankfurt entscheiden werden, aus der zuvor schon so viele Frankfurter weggegangen sind. Er erinnerte daran, dass in Frankfurt seit 1990 etwa 30 000 weniger Menschen leben.“ Immerhin habe Frankfurt (Oder) offenbar nun eine positivere Einstellung zu Flüchtlingen, dass sei vor einigen Monaten, als es um Asylheime ging, noch ganz anders gewesen. Und dann der Satz. „Das Land hat Frankfurt so viel Geld gegeben. Und trotzdem sind viele Menschen von hier weggegangen.“

Bretz: Schröter soll sich entschuldigen

CDU-Generalsekretär Steeven Bretz forderte am Mittwoch, Schröter müsse sich bei den Frankfurtern entschuldigen. Abfällige Bemerkungen wie über die Stadt an der Oder seien nicht hinnehmbar. Die gesamte Dialogtour zur Kreisgebietsreform verkomme zur Farce. Der Koalitionspartner die Linke äußerste sich weniger drastisch, Schröters Wortwahl sei unglücklich, hieß es.

Das ganze wird ein Nachspiel im Landtag in der kommenden Woche haben. Der Frankfurter Linken-Abgeordnete René Wilke stellte flugs eine mündliche Anfrage. Er ist neben Martina Münch (Cottbus) und Ralf Holzschuher (Brandenburg, beide SPD) einer von drei Gegner der Kreisreform in der rot-roten Koalition, die dabei keine eigene Mehrheit, aber Unstützung der Grünen hat. Wilke beklagte: Es sei fatal, dass das entstandende Bild „unwidersprochen blieb“. Nun will Wilke in der Fragestunde wissen, ob Schröters Äußerungen dem Bild der Landesregierung über Frankfurt (Oder) entsprechen und sie die Äußerung des Innenministers bewerte.

Kaum Perspektiven

„Es ist so abgelaufen, wie es zu erwarten war“, sagte Schröter am Mittwoch der LR. Erst ein Empfang mit Pauken und Trompeten, also eine als Bürgerfest getarnte und von der Stadt organisierte Protestkundgebung – dann die Diskussion. Schröters Fazit des Abends: „Ich habe das Gefühl, manche Menschen in der Stadt können den Tatsachen nicht ins Auge schauen.“ Und über sich selbst sagte er: „Ich bin zu alt, um mich zu verbiegen und allen Menschen nach dem Mund zu reden.“

Die Frankfurter sehen das ganze wohl weniger verkrampft. In den Internet-Kommentaren bei der MOZ fragt ein Leser etwa: „Warum fährt Halb-Frankfurt in's A10-Center zum Shoppen und kauft nicht hier ein? Na, warum wohl!?“ Ein anderer schrieb, Frankfurt biete für viele Menschen keine Perspektive. „Diese Stadt ist völlig überaltert. Es fehlt an jungen Menschen, die nicht nur für Steuereinnahmen, sondern auch für eine bessere Stimmung in der Stadt sorgen würden.“ Und die Behörden seien besonders gängelig: „Und so werden regelmäßig engagierte und motivierte Menschen regelrecht aus der Stadt getrieben.“ Ein anderer meint: „Die Stadt kann noch so viel Geld bekommen, attraktiver wird sie dadurch nicht.“ Auch im Rathaus würden Fachkräfte fehlen: „Vielleicht hilft da doch mal eine Kreisreform damit die Stadt aus ihrem verkrusteten Dasein erwacht.“ Andere schwadronieren über Asylindustrie und finden, es sei sogar ein „Wohnqualitätsmerkmal“, wenn Frankfurt nicht attraktiv für Flüchtlinge ist.

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