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Kein schöner Ausflug. Besonders an Wochenenden sind die Regionalzüge von und ins Berliner Umland mit Fahrrädern überfüllt.

© Jörn Hasselmann

Überfüllte Bahn-Ausflüge im Berliner Umland: Rad an Rad statt freie Fahrt

Zu kurze Bahnhöfe, zu wenig Personal: Die Bahn lockt Fahrradtouristen für Ausflüge ins Umland Berlins, kann aber den Ansturm kaum bewältigen.

Der Personalmangel bei der Deutschen Bahn ist offenbar gravierender als bislang bekannt. Dies haben vor allem Berliner Ausflügler in den vergangenen schönen Wochen zu spüren bekommen: Die Bahn hat die drei Ausflugsverbindungen Richtung Ostsee ausfallen lassen – weil Lokführer fehlten. Dies bestätigte ein Bahnsprecher auf Nachfrage.

Der Tagesspiegel hatte berichtet, dass Hunderte Radfahrer nicht mitgenommen wurden, weil die Züge zu voll waren. Es kam auf vielen Brandenburger Stationen zu chaotischen Szenen. Die Ursache erfuhren die Fahrgäste nicht. Verschlimmert wurde die Lage durch die Bauarbeiten am Karower Kreuz, dadurch ist eine der Ostseestrecken zeitweise gesperrt, gerade an den Wochenenden.

Nun gelobt die Bahn Besserung: „Aufgrund der hohen Auslastung der Verbindungen an die Ostsee wird den Ausflugszügen jetzt eine hohe Priorität eingeräumt“, hieß es. Dafür werden in den kommenden Wochen andere Züge ausfallen. Wegen der vielen Bauarbeiten im Netz sowie zusätzlicher Fahrten zur Landesgartenschau in Wittstock/Dosse ist „auch in den kommenden Wochen ein erhöhter Schichtbedarf zu verzeichnen“, sagte der Bahnsprecher: „Deshalb kommt es bei einigen Verbindungen zu Zugausfällen.“ Welche das sind, sagte er nicht.

„Rad und Bahn – eine tolle Kombination“, wirbt die Deutsche Bahn auf ihrer Homepage. Doch diese Kombination wird zunehmend von ihrem eigenen Erfolg überrollt – immer mehr Menschen steigen aufs Rad, wollen was im Umland erleben. Nun kommen die Sommerferien, es dürfte also eher noch voller werden. Neu ist der Zustand nicht, schnelle Besserung ist nicht zu erwarten.

Es gibt Probleme bei Mensch und Maschine

Es gibt mehrere Probleme. Es wäre Sache des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg, mehr Kapazitäten zu bestellen – also einen dichteren Takt, größere Fahrradwagen oder mehr Waggons. Doch es gibt zahlreiche Probleme auf Seiten der Bahn, und zwar bei Mensch und Maschine. Wie es hieß, wurden seit September 2018 in der Region 31 neue Lokführer begrüßt, weitere sieben sollen bis Ende Juni das Berliner Team verstärken. Ob das ausreicht, wird sich zeigen. Unter Personalmangel leiden bundesweit alle Verkehrsunternehmen, in vielen Regionen werden bereits Verbindungen gestrichen.

Auch beim Material gibt es Engpässe. Seit 2016 hängt auf den beiden Ostseelinien RE3 und RE5 zwischen Ostern und Ende Oktober ein zusätzlicher, fünfter, Fahrradwagen an. Dieser hat im Unterdeck nur auf einer Seite Klappsitze, auf der anderen gibt es nur Haltestangen für Räder. Die Klappsitze haben den Nachteil, dass sie meist von Fahrgästen ohne Rad belegt sind, kaum einer steht freiwillig auf, wenn Radfahrer einsteigen.

Also stehen die Räder wild durcheinander an den Türen, behindern das Ein- und Aussteigen – der Zug verspätet sich. In Niedersachsen dagegen betreibt der „Metronom“ mehrere Regionallinien, bei denen im Sommerhalbjahr alle Sitze im Unterdeck ausgebaut werden. Dieses radikale Vorgehen traut sich der VBB nicht.

Die DDR-Reichbahn hat die Doppelstockwagen konstruiert

Mehr Waggons anhängen geht auch nicht, weil die Bahnsteige zu kurz sind. Es gehört zu dem Infrastrukturprojekt „i2030“, einen Teil der Bahnsteige zu verlängern. Wegen des hohen Andrangs im Berufsverkehr hatte die DDR-Reichsbahn in den 50er Jahren neue Doppelstockwagen konstruiert – es war billiger, als Bahnsteige zu verlängern. Die Bundesbahn (West) hatte dieses Konzept erst nach der Wende übernommen.

Seit 2018 hat der VBB bei der Bahn drei zusätzliche Wochenend-Verbindungen auf den Ostseelinien bestellt: nach Prenzlau (RE3) sowie nach Warnemünde und Neustrelitz (RE5), morgens hin, abends zurück. Es waren ausgerechnet diese Verbindungen, die an zwei Wochenenden Ende Mai komplett ausfielen – wegen Personalmangels bei der Bahn, wie der VBB verärgert berichtet hatte. Zuvor hatte ein Bahnsprecher angesichts des Chaos gesagt, dass der Verkehrsverbund doch bitte schön mehr Züge bestellen solle. Die selbst verschuldeten Ausfälle hatte die Bahn verschwiegen.

Allerdings könnten auch Radfahrer durch geschicktere Planung das Chaos verkleinern. Wer mit Lastenrad oder Kinderanhänger am Pfingstmontag in Fürstenberg oder Dannenwalde den Nachmittagszug aus Warnemünde nach Berlin bestiegen hatte, konnte sich sicher sein, dass das nichts wird – und zwar nicht nur wegen des Verbots. Die VBB-Tarifbestimmungen untersagen die Mitnahme von Lastenrädern und Kinderanhängern, was weitgehend unbekannt ist.

Die „Talent“-Züge sind unter Radfahrern berüchtigt

In Wandlitzsee gibt es an Sommertagen regelmäßig Durchsagen, dass Radfahrer bitte die acht Kilometer bis zur S-Bahn nach Bernau radeln sollen. Zu Spitzenzeiten wollen Dutzende in den kleinen Triebwagen der Niederbarnimer Eisenbahn einsteigen – das kann nicht funktionieren. Berüchtigt sind unter Radfahrern auch die „Talent“-Züge, die etwa auf der RE7 nach Dessau bzw. Wünsdorf fahren. Die „Mehrzweckabteile“ sind klein, eng und verbaut.

Der Fahrradclub ADFC meidet auf seinen geführten Touren die Rückfahrt in stark belasteten Zügen – zu oft mussten Teilnehmer zurückbleiben. Die Tourenleiter kennen sich aus, sie fahren zum Beispiel von Angermünde mit einem aus Schwedt kommenden Zug nach Berlin.

Denn die aus Richtung Ostsee kommenden Züge sind meist überfüllt. „Es häufen sich unangekündigte Störungen oder Ausfälle“, stellt auch ADFC-Sprecher Nikolas Linck fest: „Berlin und Brandenburg sollten sich über den wachsenden Radtourismus freuen und die Infrastruktur bereitstellen.“

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