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Brandenburg: Über Pegel

Die Wassermassen erreichen den Spreewald. Kanäle und Becken mildern die Folgen. Dafür steigt die Gefahr durch die braune Suppe aus den Kohletagebauen

Von Sandra Dassler

Burg - Der erste Anruf kam um 5.30 Uhr, erzählt einer der Kahnfährleute im Hafen von Burg. „Ein Mann wollte wissen, ob das Hochwasser im Spreewald auch am 27. September noch da ist – da stand mir selbst das Wasser in den Augen.“ Zum Glück hätten sich die nächsten 41 Anrufe allein bis acht Uhr nur auf den gestrigen Freitag und das bevorstehende Wochenende bezogen, erzählt der Fährmann weiter: „Aber ist ja immer noch besser, die Leute rufen an, als wenn sie blind auf bestimmte Medien vertrauen.“

Seit Freitagmorgen sei verbreitet worden, dass wegen des Hochwassers der Spree die Kahnfahrt im Spreewald eingestellt wurde, ärgert sich auch Wolfgang Richter. „Natürlich fahren die Kähne noch!“ Nur spreeaufwärts würden manche Fährleute dann den Motor einschalten, um gegen die starke Strömung anzukommen. „Ich schaffe das auch ohne Motor, nur mit dem Rudel“, sagt Richter stolz. Seine Frau betreibt seit fast 13 Jahren die Gaststätte „Hafeneck“, vor der auch an diesem Freitagmittag die Kähne mit den Touristen ablegen. „Nur Paddelboote verleihen wir nicht, weil die meisten zwar die Spree hinunterkämen, aber nicht mehr zurück.“

Burg ist einer der ersten größeren Orte im Spreewald, den die Hochwasserwelle erreicht, nachdem die Talsperren in Bautzen und Spremberg mehr Wasser abgeben (müssen) als je zuvor. Doch die Fluten erreichen die einzigartige Lagunenlandschaft glücklicherweise nicht direkt: Es gibt jede Menge Kanäle, Umflutungsstrecken, Rückhaltebecken und Überflutungsflächen. Deshalb ist die Situation auch überall anders. Während in Burg fast normaler Betrieb möglich ist, liegt der Hafen von Alt-Zauche völlig verlassen. Der Ort liegt am sogenannten Nordumfluter, der momentan das meiste Wasser durch den Spreewald leitet. Und während auch in Lübbenau die Kähne noch fahren, hat der Landkreis Dahme-Spreewald die Sperrung der Wasserwege in und nördlich von Lübben ab Samstag 0 Uhr angeordnet.

Die Fährleute, die am Freitagnachmittag im großen Hafen von Lübben auf Touristen warten, können das nicht verstehen. „Wir wissen selbst, wann wir nicht mehr fahren können“, sagt Steffen Lehmann: „Ein Verbot macht Sinn für Paddler und Kanuten, die sich nicht auskennen und die Gefahren nicht einschätzen können.“ Sein Kollege setzt grimmig hinzu: „Jetzt haben wir endlich mal schönes Wetter – und nun das.“

Während die Fährleute mit ihrem Schicksal hadern und der Landrat von Dahme-Spree, Stephan Loge, mit einem langen und schweren Hochwasser rechnet, plagen Umweltschützer noch ganz andere Sorgen. So warnt das Aktionsbündnis „Klare Spree“ seit Längerem vor der zunehmenden Belastung des Spreewaldes mit Eisenhydroxid durch die Braunkohletagebaue. Bekannt wurde das Phänomen unter dem Stichwort „Braune Spree“. Das Eisenhydroxid lagert sich am Gewässerboden ab, wo es jedes pflanzliche Leben erstickt und damit vielen Tieren die Lebensgrundlage entzieht.

Aus der Hauptspree kam bislang nach Meinung von Experten kaum Eisenhydroxid in den Spreewald, weil es sich in der Talsperre Spremberg absetzte. Jetzt befürchten Umweltschützer, dass durch die hohen Fließgeschwindigkeiten alles mitgerissen wird. „Wenn es aber erst mal im Spreewald ist, wird es sich dort überall absetzen“, sagt die Sprecherin des Aktionsbündnisses, Jana Eitner.

Zwar habe die Landesregierung nach Intervention der Umweltschützer ein Sofortprogramm in Höhe von neun Millionen Euro beschlossen, mit der Hochwasserkatastrophe sei aber der schlimmste aller Fälle eingetreten. Die Umweltschützer ärgert am meisten, dass ein verantwortlicher Mitarbeiter im brandenburgischen Landesumweltamt beim Öffnen der Talsperre Spremberg gesagt haben soll, auf das Eisenhydroxid könne man jetzt keine Rücksicht mehr nehmen.

Die meisten Touristen, die auch gestern im Spreewald unterwegs waren, störte weder das Hochwasser noch die Braunfärbung. „Wir finden die Landschaft hier einmalig schön“, sagte Manfred Schinz, der mit einer Radlergruppe aus Düsseldorf unterwegs war. „Nur dass die Radwege auf den Spreedeichen jetzt teilweise gesperrt sind, ist schade.“  Sandra Dassler

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